Dietmar Bayer
Dietmar Bayer, Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark: „Wir haben im Prinzip kein Problem mit der ärztlichen Versorgung. Unser Problem ist, dass uns in der Kassenmedizin die Ärzte ausgehen.“

Medizinische Versorgung

Ärzte und Gemeinden stärken Regionen

Die Ärztekammer sucht den direkten Kontakt zu den Gemeinden um der weiteren Zuspitzung des Ärztemangels bestmöglich entgegenzuwirken. Dietmar Bayer, der Vizepräsident der Ärztekammer Steiermark, zeigt die Probleme aus Sicht der Ärzte auf.

Die Lage ist ernst und wird bald noch viel ernster. 176 Kassenstellen für Allgemeinmediziner waren Anfang 2023 in Österreich nicht besetzt. Von den Praktizierenden sind viele im fortgeschrittenen Alter und sehen der Pension entgegen, sodass damit zu rechnen ist, dass es in zehn Jahren nur noch die Hälfte der Kassenärzte gibt.

„Viele, die weiterarbeiten wollen, über 70 Jahre hinaus, können es nicht, da eine gesetzliche Regelung besagt, dass ein Arzt mit 70 in Pension gehen, oder zumindest seinen Kassenvertrag zurücklegen muss“, erklärt Dietmar Bayer.  

Mangel an Kassenärzten

„Wir haben im Prinzip kein Problem mit der ärztlichen Versorgung. Unser Problem ist, dass uns in der Kassenmedizin die Ärzte ausgehen“ präzisiert Bayer. Dafür gebe es vielfältige Ursachen. Immer weniger Ärzte müssten immer mehr Patientinnen und Patienten versorgen. Das habe auch der Rechnungshof kürzlich klar bestätigt. In ein bis fünf Minuten medizinische Leistungen am Patienten zu machen, sei weder dem Patienten noch dem Arzt zumutbar.

„Die jungen Kolleginnen und Kollegen wollen Arbeit und Familie unter einen Hut bringen können. Sie wollen in Karenz gehen können und sie wollen sich Zeit nehmen für ihre Patienten. Aus diesem Grund haben wir alle Medizin studiert“, so Bayer.

Hausapotheke ist unterbewertet

Ein nicht zu unterschätzender Faktor sei auch die Krux mit den Hausapotheken. Ärzte entschieden auch nach Sicherheitsabwägungen, welche Stelle sie antreten. Die Regelungen, wann ein Arzt eine Hausapotheke führen darf, und wann er sie auflösen muss, so wie sie derzeit im Apothekengesetz geregelt ist, benachteiligt einige Regionen – insbesondere im ländlichen Raum.

Die Unsicherheiten, die das Gesetz mit sich bringt, lässt viele Ärzte von diesen Stellen absehen. Bayer nennt als Beispiel St. Peter im Sulmtal, das nach wie vor verzweifelt nach einem Arzt sucht, durch das Verbot eine Hausapotheke zu führen allerdings benachteiligt ist. Eine starre Kilometergrenze definiert, in welchem Umkreis einer Apotheke ein Arzt eine Hausapotheke führen darf.

„Aus wettbewerblicher Perspektive wäre es im Sinne der Auswahlmöglichkeit für Patienten wünschenswert, wenn die starren Regelungen hinsichtlich der vier bzw. sechs Kilometer zugunsten der ärztlichen Hausapotheke liberalisiert werden. Diese Kilometer Grenze hat auch in der Realität ganz skurrile Auswirkungen, die den Gemeinden extrem schaden können“, sagt Bayer und nennt Beispiele aus Niederösterreich und Tirol, wo ein kranker Patient rund 40 Kilometer fahren muss, um sich ein Medikament zu besorgen, wenn die örtliche Apotheke gerade geschlossen hat.

Petition und Lösungssuche

„Wir sprechen uns nicht gegen Apotheken aus, sondern wir sprechen uns für ein duales System aus, weil es letztendlich um die Versorgung aller Menschen geht,“ stellt Bayer klar.

Auch mit einer Petition zur ärztlichen Versorgung, die beim Kommunalwirtschaftsforum auflag, bemüht sich die Ärztekammer gemeinsam mit den Gemeindevertretern darum, dass das Ausmaß der Situation und die Dringlichkeit endlich verstanden werden. In einem Workshop zur wohnortnahen medizinischen Versorgung, erörterten die Teilnehmer gemeinsam mit Gemeindeärztin Reingard Glehr individuelle Lösungsansätze für ihre jeweilige Situation.  

Reingard Glehr
Reingard Glehr, selbst Gemeindeärztin, diskutiert mit den Workshop-Teilnehmern Möglichkeiten um eine wohnortnahe medizinische Versorgung sicherzustellen.