Zu viele Themen, kaum Entscheidungen

Seit April 2015 wurden hunderte Seiten Papier und umfangreiche Zahlenkonvolute produziert. Tatsächlich entschieden wurde in den vergangenen politischen Runden jedoch noch kaum etwas, was in den bisher gut 50 Sitzungen auf Beamtenebene entwickelt und vorgelegt wurde.





Der Bund hat ein radikales Modell mit vielen Wechselwirkungen und Umwälzungen gefordert (aufgaben/leistungs/fallzahl-orientierte Mittelzuteilung je Schüler, Pendler, Arbeitnehmer, Arbeitsuchender, öffentlich Bediensteter usw. anstelle der bisherigen Pauschalierung durch den aBS sowie diverser Fix-Schlüssel; Totalreform der Umlagen auf Landesebene; Wegfall von Bedarfszuweisungen, Zuschüssen und anderen Detailregelungen; Abhängigkeit der Gemeinden von den Steuerautonomieentscheidungen der Länder etc.). Aber auch die Länder und Gemeindebünde haben mit vielen FAG-Reformvorschlägen, die es zu diskutieren, zu quantifizieren und auszuarbeiten galt, zur aktuellen Komplexität beigetragen.



Was macht man sinnvollerweise gegen Komplexität?

Schritt 1: Man lässt Unnötiges weg.



Unangefochten an der Spitze des Unnötigen steht das Thema „Erhöhung der Abgabenautonomie der Länder“. Der Vorschlag des Bundes würde den Anteil der eigenen Abgaben der Länder (ohne Wien) an ihren Gesamtausgaben von einem auf sagenhafte fünf Prozent erhöhen (zum Vergleich, bei den Gemeinden ohne Wien liegt dieser Wert österreichweit bei knapp 20 Prozent). Ob das populistische Argument des Finanzministers (die Länder würden durch mehr Einnahmenverantwortung sparsamer wirtschaften) bei fünf Prozent eigener Steuereinnahmen am Budget wahr werden würde, wage ich zu bezweifeln.



Dieses Thema hat die Verhandlungen zum Finanzausgleich 2017 bis 2020 maßgeblich blockiert. Es hat einen Keil zwischen die Länder getrieben, obwohl selbst den potenziellen Gewinnerländern klar sein müsste, dass ihnen die Zuwächse nicht bleiben, weil ihre Ertragsanteile im Ausmaß der dann „eigenen“ Steuern (Zuschlagsabgaben auf Bundessteuern) gekürzt werden würden.



Es hätte viel Zeit gespart, wenn sich alle Beteiligten bereits vor Monaten die unverdiente, aber heutzutage leider unausweichliche mediale Schelte (Bund macht Kniefall, Länder blockieren), für ein klares Nein zum Steuerföderalismus abgeholt hätten.

Schritt 2: Man lässt das weg, was man in absehbarer Zeit nicht bewältigen kann.



Weil entscheidende Grundlagendaten fehlen, um einigermaßen einschätzen zu können, wie groß die gemeindeweisen Verwerfungen und die künftigen Abwärtsdynamiken des Bundes-Modells wären. Es braucht hier mehrjährige Parallelrechnungen, damit seriöse Entscheidungen getroffen werden können. Aus Sicht des Österreichischen Gemeindebundes ist eine derartige Reform hin zu einer gemeindeweisen aufgabenorientierten Mittelzuteilung samt Umlagen- und BZ-Mittel-Reform frühestens mit einem FAG 2021 möglich.

Schritt 3: Man schafft ein Klima, das Entscheidungsprozesse unterstützt.



Wenn ich weiß, dass ich z. B. maximal ein Prozent pro Jahr gegenüber meinen Ertragsanteilen aus dem Basisjahr 2016 verlieren kann, kann ich mich eher auf große Reformen einlassen, als wenn ich auf einen Schlag 15 oder mehr Prozent verlieren könnte und auch in Zukunft die Kurve meiner Ertragsanteile nach unten geht, weil ich bei aufgabenorientierten Schlüsseln schlecht abschneide oder Einwohner verliere.



Es braucht also einen Verlust- und einen Gewinndeckel, aber einen solchen Korridor zur Begrenzung von Verwerfungen wollte in den Verhandlungen bisher niemand dezidiert vorschlagen. Bei jenen, die sich Mehreinnahmen erhoffen, ist es klar, dass sich diese nicht von Vornherein beschränken. Demgegenüber ist die Verhandlungstaktik des Bundes bald nicht mehr nachvollziehbar. Schließlich kann seinem Radikalmodell ohne entsprechendem Verlustdeckel kein seriöser Politiker zustimmen.



Was die Verhandlungen klimatisch sehr getrübt hat, war neben der fehlenden Kompromissbereitschaft auch das vermittelte „Wurschtigkeitsgefühl“, mit welchem der Bund massive Verluste vieler Gemeinden in Kauf nehmen würde, um das eigene Modell umzusetzen. Sinnbildlich für sein ausbaufähiges Verständnis für die kommunale Realität ist noch folgende Aussage aus einem aktuellen Positionspapier des Bundes im Zusammenhang mit dem nach wie vor noch nicht akzeptierten Strukturfonds: „Keine Förderung von strukturkonservierenden Projekten.“



Ob die Verhandlungen noch die sprichwörtliche Kurve kriegen und einige Vereinfachungen und Reformen vereinbart werden können, oder ob der Bund allen Beteiligten mit seiner Strategie von Radikalforderungen und Themenmaximierung doch nichts Gutes getan hat, wird sich noch im Oktober zeigen.

Schlagwörter