
Neuregelung macht Verhängung von Tempo 30 einfacher
An Stellen im Ortsgebiet, wo sich vermehrt Kinder, ältere Personen oder ganz einfach besonders viele Menschen aufhalten, will man den Fahrzeugverkehr zwar nicht unbedingt verbannen, aber doch sicher gestalten. Dazu gehört in erster Linie die Entschleunigung des motorisierten Individualverkehrs. Dies geschieht sehr oft und erfolgreich mit der Verordnung von Tempo-30-Strecken bzw. -Zonen.
Dies war aber vor allem für kleinere Gemeinden bis dato sehr aufwendig. Denn dafür war ein Ermittlungsverfahren nötig, das umfangreich und durch erforderliche Gutachten auch sehr teuer werden konnte. So musste die Erforderlichkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung mit Zahlen, Daten, Fakten und Untersuchungen nachgewiesen und außerdem eine Interessensabwägung zwischen den Interessen an der Beibehaltung und an der Reduktion der Geschwindigkeit durchgeführt werden. Zusätzlich war die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme darzustellen. Und genau hier setzt eine aktuelle Gesetzesänderung an.
Effektives und unkompliziertes Instrument, um die Sicherheit zu erhöhen
Mit der 35. Novelle zur Straßenverkehrsordnung (StVO), BGBl I 2024/52, gibt es seit dem 1. Juli 2024 die Möglichkeit, Tempo 30 deutlich einfacher, unbürokratischer und kostensparender zu verordnen.
Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat einen Leitfaden für Gemeinden zur neuen Verordnungsmöglichkeit nach der 35. StVO-Novelle herausgegeben:
Diese 35. Novelle zur StVO setzt nun endlich eine langjährige Forderung vor allem der Gemeinden und Verkehrssicherheitsexperten um. Es wurde ein effektives und unkompliziertes Instrument geschaffen, um die Sicherheit im Ortsgebiet nachhaltig zu verbessern.
Dabei hat der Gesetzgeber hier ganz bewusst an jene Gemeinden gedacht, für die ein kompliziertes und teures Verfahren eine zu große Hürde darstellen würde und wo Sicherheitsanliegen wegen bürokratischer Erschwernisse und hoher Kosten unerfüllt blieben. Ähnliche Erleichterungen wurden übrigens auch in Deutschland eingeführt.
Voraussetzungen für die Verordnung von Tempo 30 für Gemeinden
Wer ist zuständig?
- Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich für Gemeindestraßen
- Bezirksverwaltungsbehörde für Landesstraßen
Wo darf man verordnen?
- Strecken oder Zonen im Ortsgebiet,
- aber nur in sogenannten „Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis“, wie z.B. vor Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen
Was darf verordnet werden?
- Die gemäß § 20 Abs. 2 StVO erlaubte Höchstgeschwindigkeit (also Tempo 50) darf verringert werden, was in der Regel durch die Reduktion auf Tempo 30 geschieht. Denkbar wären natürlich auch Tempo 40 oder 20.
Wie ist dabei vorzugehen?
- Ermittlungsverfahren: Es ist ein im Vergleich zu den bisherigen Methoden vereinfachtes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Dies ist unerlässlich, allerdings reduziert sich der Umfang deutlich.
- Verkehrstechnisches Gutachten: Ein solches wird in der Regel nicht mehr nötig sein, sofern man im Kernbereich der Verordnungsermächtigung bleibt. Dies deshalb, weil die neue gesetzliche Textierung die zulässigen Örtlichkeiten bereits streng eingrenzt (siehe oben: „Bereiche mit besonderem Schutzbedürfnis“) und die erforderlichen Nachweise einschränkt. Will man aber beispielsweise mehrere Schutzzonen zusammenlegen oder eine andere als im Gesetz genannte Schutzzone heranziehen, so wird weiterhin ein Gutachten erforderlich sein.
Was ist im Ermittlungsverfahren zu dokumentieren?
- Eine möglichst genaue Beschreibung der Örtlichkeiten und örtlichen Umstände. Das sind Informationen, die jeder Gemeinde sofort zur Verfügung stehen. Hingegen sind Unfallzahlen, Verkehrsstärken und Geschwindigkeitsprofile grundsätzlich nicht erforderlich. Soweit sie aber vorhanden sind, können sie beigelegt werden.
- Der exakte Bereich der Geschwindigkeitsbeschränkung – genau dort müssen dann auch die Verkehrszeichen in der Realität aufgestellt werden.
- Die Eignung der Geschwindigkeitsbeschränkung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Einen Textvorschlag dafür finden Sie unten.
Textvorschlag für die Darstellung der Eignung der Geschwindigkeitsreduktion:
Fast zwei Drittel aller Verkehrsunfälle passieren im Ortsgebiet. Tempo 30 schützt Leben, wie zahlreiche Studien und Unfallzahlen belegen.
- Kürzerer Anhalteweg – niedrigeres Unfallrisiko: Der Anhalteweg reduziert sich von 27 m (bei 50 km/h) auf 13 m (bei 30 km/h) – in der Regel genug Zeit, um sicher vor Fußgängern oder Zebrastreifen zu bremsen.
- Weniger Verletzungsrisiko und reduzierte Unfallschwere bei geringerer Kollisionsgeschwindigkeit: Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls sinkt bei Tempo 30 auf unter 10 %, während sie bei Tempo 50 auf 40 % ansteigt.
- Besseres Sichtfeld: Bei 50 km/h ist der Blickpunkt auf 40 m vor dem Fahrzeug fixiert, was zu Tunnelblick und eingeschränkter Wahrnehmung von Fußgängern am Fahrbahnrand führt. Bei Tempo 30 hingegen bleibt das so wichtige seitliche Sichtfeld übersichtlich.