Eine Staatsreform und auch deren Vorarbeiten darf nicht ohne die Gemeinden umgesetzt werden, verlangt der Gemeindebund. Bild: Shutterstock/Lisa S.

Kommunale Forderungen nach der Wahl

Kurz nach einer Bundeswahl ist der Zeitpunkt da, an dem die Gemeinden aufzeigen müssen. Sie haben eine unverzichtbare Position in unserem Staat, sind Garanten für das Funktionieren demokratischer Instrumente und Prozesse, indem sie eine geordnete Wahl im Sinne unserer Bundesverfassung ermöglichen und abwickeln.





Diese Tatsache kann nicht hoch genug eingeschätzt werden; sie ist eine Lebensader unserer demokratischen Werte. Hier wird der Staat, unser Gemeinwesen erfahrbar. Ohne die Gemeinden und die engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürger ist kein Staat zu machen.



Die Gemeinden machen keine Gesetze, ihre Organe sind allerdings daran gebunden. Eine Interessensvertretung der Kommune ist selbstredend daran interessiert, dass Gesetze auf kommunaler Ebene in bester Weise eingehalten werden. Aber sie müssen auch abgeklopft werden auf ihre Praxistauglichkeit.



Seit Jahrzehnten wird der Österreichische Gemeindebund daher schon in den Vorbereitungen der Gesetze, in die so genannten Begutachtungsverfahren, eingebunden. Auch der Konsultationsmechanismus ist eine europaweit vorbildliche Errungenschaft eines Gemeinwesens, das sich gerne auch kooperativer Bundesstaat nennt.



Auch hier müsste ja gelten, dass ohne die Gemeinden kein Staat zu machen ist. Doch leider gibt es immer wieder Hintertüren, die diese Kooperation verhindern, die zu weltfremden Gesetzen führen und Gemeinden einseitig finanziell belasten, weil etwa ein Begutachtungsverfahren oder eine Befassung im Sinne des Konsultationsmechanismus umgangen werden können.



Die Gemeinden müssen daher nach den Erfahrungen der letzten Legislaturperiode, aber auch der letzten Plenartagungen im Parlament aufzeigen und ihre Forderungen einbringen. Das Präsidium des Österreichischen Gemeindebundes hat daher ein Forderungspapier erarbeitet, das Rahmenbedingungen einfordert, nach denen es den Gemeinden möglich ist, ihre eigenen und ihnen übertragenen Aufgaben in wirtschaftlich sinnvoller Weise zu erfüllen und die kommunale Selbstverwaltung weiter zu entwickeln. „Österreich braucht ein Bekenntnis zum Schutz und Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung, zur Schaffung von gleichwertigen und modernen Lebensverhältnissen in Stadt und Land und zu einer klaren Aufgabenzuordnung“, so der Tenor der Forderungen.



Das umfangreiche Papier enthält eine Fülle an Forderungen, die sich wie ein Spiegel der Erfahrungen der Gemeinden in der letzten Gesetzgebungsperiode lesen.



Kurz gefasst seien sechs Schwerpunkte hervorgehoben:


  1. Bundesverfassung und kommunale Selbstverwaltung. Die kommunalen Spitzenverbände sind in der durch das FAG-Paktum eingerichteten Arbeitsgruppe zur Bundesstaatsreform aktiv einzubinden; eine Staatsreform und auch deren Vorarbeiten dürfen nicht ohne die Gemeinden umgesetzt werden.

  2. Bürgernähe und moderne Verwaltung. Die Gemeinden haben großes Interesse an einer effizienten, einfachen und modernen Verwaltung. Zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sind Modernisierungsschritte auf deren Effizienz und leichte Handhabbarkeit zu prüfen. Die Gemeinden sind bereit, Aufgaben in effizienten Strukturen wahrzunehmen, wenn ihnen die dafür erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

  3. Finanzen. Der Österreichische Gemeindebund fordert einen Belastungsstopp und eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Gemeinden. Durch die Zuweisung neuer oder die Verlagerung bestehender Aufgaben ohne ausreichende und langfristige finanzielle Abgeltung entstehen den Gemeinden immer höhere Ausgaben. Auch Minderungen der Steuereinnahmen der Gemeinden durch bundesgesetzliche Maßnahmen oder Untätigkeit sind hier relevant. Der Österreichische Gemeindebund fordert vor allem

    - Den vollständigen Kostenersatz der durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstehenden Mehrausgaben;

    - Maßnahmen zur Kostendämpfung in der Mindestsicherung auch auf Ebene des Bundes als Grundsatzgesetzgeber;

    - vollständige Sicherung des Kostendämpfungspfades in Gesundheits- und Pflegeversorgung;

    - die grundlegende Reform der gemeindeeigenen Grundsteuer, wie bereits im FAG-Paktum vereinbart.

  4. Soziales und Gesundheit. Der Österreichische Gemeindebund fordert vom Bund als einer der drei zentralen Akteure der Gesundheitsreform ein klares Bekenntnis zur weitestgehenden Versorgung des ländlichen Raums mit primären Gesundheitsleistungen durch Hausärzte. Ergebnis muss ein Gesamtpaket sein, damit der Hausarztberuf für junge Menschen wieder attraktiv wird, was vor allem auch den Menschen im ländlichen Raum eine gute Versorgung garantiert.

  5. Kinderbetreuung und Schule. Im Bereich der Kinderbetreuung zeichnet sich die Bundesebene nicht nur durch teure Ankündigungen betreffend das zukünftige Angebot der Kinderbetreuung aus, sondern ist auch bei der Erhaltung wesentlicher finanzieller Fundamente der Kinderbetreuung sowie der schulischen Nachmittagsbetreuung säumig.

    Der Österreichische Gemeindebund fordert im Hinblick auf die Art. 15a-Vereinbarungen im Bereich der Kindergärten und ganztägiger Schulformen endlich längerfristige Planungssicherheit und eine nachhaltige Finanzierung.

  6. Lebensqualität und wirtschaftliche Perspektiven für den ländlichen Raum.

    Die Breitbandinfrastruktur ist eine Schlüsseltechnologie für die Standortpolitik im ländlichen Raum. Da ein zukunftstaugliches Breitbandnetz auch die Funktion der Daseinsvorsorge erfüllt, fordert der Österreichische Gemeindebund eine effektive und vereinfachte Förderung der Breitbandinfrastruktur durch Glasfaser im ländlichen Raum.



Der Österreichische Gemeindebund richtet diese Forderungen an die Verhandlungsteams der neu in den Nationalrat gewählten Parteien, damit bei aller Verhandlungsintensität gerade jene Kooperation nicht vergessen wird, auf der unsere Demokratie aufbaut.

Ersatz der durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstandenen Kosten



In einem wichtigen Bereich werden überdies alle Gemeinden dazu ermuntert, diese Arbeit zu unterstützen. Eine vom Oberösterreichischen Gemeindebund initiierte Aktion zur Verabschiedung von Gemeinde-Resolutionen soll auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt werden. Damit soll die Forderung nach einem vollständigen Kostenersatz der durch die Abschaffung des Pflegeregresses ausgelösten Mehrausgaben unterstützt werden.



Diese Maßnahme des Bundesgesetzgebers war nicht mit der Gemeindeebene abgestimmt, sie erfolgte ohne parlamentarisches Begutachtungsverfahren und wurde im Verfassungsrang beschlossen. Überdies hat der Bund dadurch einen klaren Bruch des Paktums zum Finanzausgleich begangen, weil man einseitig vom vereinbarten Kostendämpfungspfad in der Pflege abgewichen ist.



Die Resolutionen der Gemeinden sollen auch verdeutlichen, dass neben den unmittelbaren finanziellen Ausfällen aus der Abschaffung des Regresses auch die freiwilligen Selbstzahler wegfallen, was noch viel mehr ins Gewicht fällt. Dazu kommt noch der rechnerische Zuwachs aus der 24-Stunden-Pflege. Ergänzend zu den dadurch nachgewiesenen Mehrkosten (allein in Oberösterreich rund 71 Millionen Euro jährlich, auf Bundesebene daher wohl mehrere hundert Millionen) ist der Nachfrageeffekt auf zusätzliche teure Heimplätze und die damit einhergehende Verteuerung noch überhaupt nicht berücksichtigt.



Es muss daher von kommunaler Seite dringend aufgezeigt werden, dass es gerade auch im Pflegebereich einer nachhaltigen solidarischen Finanzierung bedarf.



Für diese kommunalen Forderungen gilt daher, dass alle Gemeinden in Form einer Resolution aufzeigen und ein gemeinsames Zeichen der Stärke setzen. Musterresolutionen wurden mit einem Bürgermeisterbrief an die Gemeinden verschickt. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an office@gemeindebund.gv.at.



.

Schlagwörter