Laptop auf dem das Wort Amtshaftung steht
Im Amtshaftungsverfahren ist, anders als im Rechtsmittelverfahren, nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung des Organs richtig war, sondern auch, ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte. Gehaftet wird für jeden Grad des Verschuldens
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Recht & Verwaltung

Amtshaftung für den Bereich der Gemeinde

Amtshaftungsansprüche können nicht nur gegen den Bund und gegen die Länder, sondern auch gegen die Gemeinden geltend gemacht werden. Aber was konkret ist nun ein Amtshaftungsanspruch und wann konkret haftet eine Gemeinde nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes?

Zurzeit ist die Amtshaftung in aller Munde. So wurden Amtshaftungsansprüche gegen den Bund nach den Terroranschlägen im November 2020 in Folge eines Behördenversagens bei Gericht geltend gemacht. Ebenso wurden Amtshaftungsansprüche wegen Versäumnissen der staatlichen Aufsicht bei der Commerzialbank Mattersburg gegen den Bund gerichtlich eingeklagt.

Ferner bekannt sind die Ischgl-Amtshaftungsklagen gegen den Bund, die damit begründet werden, dass die zuständigen Behörden es unterlassen hätten, die Skigebiete früher zu schließen bzw. die Urlauber zu warnen. 

Auch Länder und Gemeinden unterliegen der Amtshaftung

Trotz der Vielzahl von Amtshaftungsklagen gegen den Bund darf nicht vergessen werden, dass das Amtshaftungsgesetz auch Amtshaftungsklagen unter anderem gegen die Länder und gegen die Gemeinden ermöglicht.

§ 1 Abs. 1 AHG normiert nämlich, dass der Bund, die Länder, die Gemeinden, die sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Träger der Sozialversicherung nach den Bestimmungen des ABGBs für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, haften. 

Für Bezeichnung „Querulant“ nicht persönlich klagbar

Eine solche Amtshaftung lauert an jeder Ecke, wenn die Gemeinde im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig wird. Und so mancher ist überrascht, welches Verhalten ein hoheitliches sein und der Gemeinde zugerechnet werden kann bzw. für welches Verhalten diese mitunter zu haften hat, wie zuletzt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25.5.2020, 1 Ob 70/20f zeigt.

Mit dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass, wenn ein Gemeinderat im Rahmen der Gemeinderatssitzung zur Beschlussfassung einer vom Gemeinderat zu erlassenden Verordnung einen Dritten als Querulanten bezeichnet, diese Wortmeldung der Vorbereitung der Beschlussfassung des Gemeinderats über die Erlassung einer Verordnung dient und daher dessen Hoheitsbereich zuzuordnen ist.

Dies hatte zur Folge, dass das Gemeinderatsmitglied als Organ des Gemeinderats gemäß § 9 Abs. 5 AHG nicht persönlich geklagt werden konnte und die Tätigkeit des Gemeinderatsmitglieds dem Gemeinderat zuzurechnen war.

Die Entscheidung mag den Rechtsunkundigen überraschen, ist aber aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abgrenzung der Hoheitsverwaltung von der Privatwirtschaftsverwaltung folgerichtig.

Aber natürlich gibt es viele andere, bekanntere Bereiche, wo Amtshaftungsansprüche gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden können, wie z. B. im Bauwesen oder im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei, örtlichen Verwaltungspolizei, Feuerpolizei u. v. m. Aber was ist denn nun konkret die Amtshaftung? Was heißt Hoheitsverwaltung? Nachfolgende Ausführungen wollen einen kurzen und schnellen Einblick in das Amtshaftungsrecht geben. 

Was bedeutet Amtshaftung?

Die Amtshaftung ist die Haftung der Gemeinde für den Bereich der Hoheitsverwaltung. Die Amtshaftung stellt eine wesentliche Ergänzung des rechtsstaatlichen Prinzips dar, damit die mit einem rechtswidrigen Staatsakt einhergehenden Nachteile am Vermögen oder an einer Person beseitigt werden bzw. ausgeglichen werden.

Hoheitsverwaltung ist jener Bereich, in dem die Gemeinde mit Befehlsgewalt („imperium“) auftritt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Bereich der Über- und Unterordnung.

Ein Akt der Hoheitsverwaltung liegt bei einer Verordnung, einem Bescheid oder einem Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vor. Auch Akte der schlichten Hoheitsverwaltung sind haftungsbegründend. Akte der schlichten Hoheitsverwaltung stehen in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit einer Aufgabe der staatlichen Verwaltung, die ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist.

Tritt die Gemeinde im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung auf, kommt es zur Haftung der Gemeinde nach den Bestimmungen des Zivilrechts, nicht nach den Bestimmungen des Amtshaftungsrechts. Der Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung ist jener Bereich, in dem der Rechtsträger als Träger von Privatrechten auftritt. In diesem Bereich besteht zwischen dem Rechtsträger und dem Dritten Gleichordnung statt dem Verhältnis einer Über- und Unterordnung. 

Wann haftet die Gemeinde?

Die Gemeinde haftet für das Verhalten der für sie als Organ handelnden Personen. Nach § 1 Abs. 2 AHG sind alle physischen Personen Organe, wenn sie in Vollziehung von Gesetzen handeln, gleichgültig, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählt, ernannt oder sonst wie bestellt sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.

Sohin kann auch ein mit Hoheitsaufgaben Beliehener oder eine dafür in Dienst bzw. in Pflicht genommene Person ein Organ iSd § 1 Abs. 2 AHG sein. Beim Organbegriff des § 1 Abs. 2 AHG handelt es sich um einen funktionellen Organbegriff.

Es haftet jener Rechtsträger, für den das Organ tätig war bzw. tätig hätte sein sollen. Es haftet nicht der Rechtsträger, der das Organ bestellt hat („Funktionstheorie“).

Die Haftung der Rechtsträger nach dem Amtshaftungsgesetz bestimmt sich nach den Bestimmungen des ABGB. Voraussetzung für eine Amtshaftung ist der Eintritt eines Schadens, ein kausales Verhalten (Tun, Unterlassen), Rechtswidrigkeit des Verhaltens und ein schuldhaftes Verhalten.

Was ist ein Schaden?

Als Schaden ist jeder Nachteil definiert, der jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Von Bedeutung ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch Vertretungskosten, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor der Gemeinde entstanden sind, ebenfalls einen ersatzfähigen Schaden darstellen.

Kausal ist ein Verhalten, wenn der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn man das Verhalten wegdenkt. Das Verhalten kann ein Tun oder ein Unterlassen sein. Eine Haftung für eine Unterlassung trifft die Gemeinde aber nur dann, wenn eine gesetzliche Pflicht zum Handeln gegenüber dem Geschädigten besteht.

Rechtswidrig ist ein Verhalten, wenn es gegen Gebote oder Verbote verstößt. Erfasst sind nicht nur materielle, sondern auch verfahrensrechtliche Vorschriften.

Wurde die Rechtswidrigkeit des Verhaltens von einem Verwaltungsgericht oder vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt, ist die Feststellung für das Amtshaftungsgericht bindend. Weiters wird vorausgesetzt, dass das rechtswidrige Verhalten zum Eintritt jenes Schadens führt, dass die verletzte Rechtsvorschrift gerade verhindern wollte (Rechtswidrigkeitszusammenhang).

Zu einer weiteren Begrenzung der Haftpflicht führt der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Nach diesem soll eine Haftung für den eingetretenen Schaden dann nicht eintreten, wenn derselbe auch durch ein rechtmäßiges Verhalten eingetreten wäre.

Was ist im Amtshaftungsverfahren zu prüfen?

Schuldhaft ist das Verhalten, wenn die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten worden ist. Eine Haftung besteht aber dann nicht, wenn das Verhalten auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht.

Im Amtshaftungsverfahren ist, anders als im Rechtsmittelverfahren, nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung des Organs richtig war, sondern auch, ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte. Gehaftet wird für jeden Grad des Verschuldens.

Anders als im Schadenersatzrecht des ABGB vorgesehen ist, ist der Schaden nur in Geld zu ersetzen. Eine Naturalrestitution ist nicht vorgesehen (§ 1 Abs. 1 AHG).

Wann besteht keine Haftung?

Die Haftung ist allgemein ausgeschlossen, wenn der Ersatzanspruch aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs oder des Obersten Gerichtshofs abgeleitet wird (§ 2 Abs. 3 AHG).

Weiters entfällt die Haftung, wenn der Geschädigte den Schaden durch Erhebung eines Rechtsmittels, Beschwerde beim Verwaltungsgericht und Revision beim Verwaltungsgerichtshof abwenden hätte können (§ 2 Abs. 2 AHG). Nach § 6 Abs. 1 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekanntgeworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung.

Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekanntgeworden oder ist der Schaden aus einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens.

Amtshaftungsanspruch geltend machen

Ein Amtshaftungsanspruch gegen die Gemeinde kann außergerichtlich oder mit Klage bei Gericht geltend gemacht werden. Wird ein Amtshaftungsanspruch außergerichtlich geltend gemacht, hat die Gemeinde innerhalb von drei Monaten mitzuteilen, ob der geltend gemachte Ersatzanspruch anerkannt wird oder abgelehnt wird.

Wird der Amtshaftungsanspruch gerichtlich geltend gemacht, ist die Klage bei jenem Landesgericht einzubringen, in dessen Sprengel die Rechtsverletzung begangen wurde (§ 9 AHG). Gemäß § 13 AHG sind weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet.

Verfahren unterbrechen

Ist die Entscheidung des Rechtsstreits von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde oder des Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichts abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs oder des Verfassungsgerichtshofs vorliegt, und hält das Gericht den Bescheid bzw. das Erkenntnis oder den Beschluss für rechtswidrig, so hat es, sofern die Klage nicht gemäß § 2 abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw. des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu beantragen (§ 11 AHG).

Wann kann die Gemeinde Rück­ersatz begehren?

Hat die Gemeinde dem Geschädigten aufgrund des AHG den Schaden ersetzt, kann sie von den Personen, die als seine Organe gehandelt und die die Rechtsverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, Rück­ersatz begehren.

Ein Regressanspruch besteht daher nicht, wenn lediglich leichte Fahrlässigkeit besteht. Bei grober Fahrlässigkeit besteht ein richterliches Mäßigungsrecht.

Ausgeschlossen ist der Regressanspruch, wenn die schädigende Handlung auf Weisung (Auftrag, Befehl) eines Vorgesetzten erfolgt ist, es sei denn, das Organ hätte die Weisung eines offenbar unzuständigen Vorgesetzten befolgt oder in Befolgung der Weisung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen (§ 4 AHG). Für den Bund und zum Teil auch für die Länder bestehen Verzichtsregelungen.

So bestimmt beispielsweise § 74 Bundeshaushaltsgesetz 2013, dass der Bundesminister für Finanzen auf eine einziehbare Forderung von Amts wegen oder auf Ansuchen des Haftenden ganz oder teilweise verzichten kann, wenn die Einziehung der Forderung für den Schuldner nach der Lage des Falles, insbesondere unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und des Ausmaßes seines Verschuldens unbillig wäre oder der Verzicht auf die Forderungen im wirtschaftlichen Interesse des Bundes liegt und der Forderungsbetrag den im Bundesfinanzgesetz oder einem besonderen Bundesgesetz iSd Art. 42 Abs. 5 B-VG festgesetzten Höchstbetrag nicht überschreitet. 

Mit diesen Ausführungen sollte ein kurzer Blick in das Amtshaftungsrecht gegeben worden sein. Insgesamt ist festzuhalten, dass die gesamte staatliche Verwaltung überdurchschnittliche Leistungen erbringt und auf hohem Niveau arbeitet. Aber natürlich kann dort, wo gearbeitet wird, nicht ausgeschlossen werden, dass Fehler gemacht werden. Sollten daraus Nachteile entstehen, kann das Amtshaftungsgesetz „helfen“.