Feuerwehrmann reinigt Kellner nach Überflutung
Besonders Keller und tiefer liegende Räume wie Souterrains sind bei Rückstau gefährdet.
© BFV-Hartberg

Leitfaden

Starkregen-Szenario: Wer haftet bei Rückstau im Hauskanal?

17. Oktober 2025
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Vor etwas mehr als einem Jahr hat ein sogenanntes „­Jahrhunderthochwasser“ viele Gemeinden in Österreich schwer getroffen. Die Folgen sind bis heute ­spürbar – zerstörte Häuser, beschädigte Straßen und hohe Kosten.

Fachleute sind sich sicher: Solche Katastrophen werden in Zukunft nicht nur alle hundert Jahre, sondern deutlich häufiger auftreten. Der Klimawandel macht extreme Wetterlagen wahrscheinlicher – und damit auch die Gefahr von Hochwasser, Starkregen und Rückstau. Für Gemeinden lohnt es sich daher, vorbereitet zu sein. 

Die Bundeskammer der Ziviltechniker:innen hat einen Leitfaden veröffentlicht, der erklärt, welche Rechte und Pflichten Gemeinden haben, wie sie Schäden ­vorbeugen können und welche Verantwortung bei den Hausbesitzer:innen liegt.

Rückstau – wenn ­Abwasser den Keller flutet

Nach starken Regenfällen oder Hochwasser kann es passieren, dass die Kanalisation überlastet ist. Das Abwasser staut sich dann zurück und sucht sich einen anderen Weg – oft in die Hausleitungen. Besonders Keller und tiefer liegende Räume wie Souterrains sind gefährdet. Hier kann das Abwasser durch Bodenabläufe, Toiletten oder Waschbecken ins Haus eindringen und erhebliche Schäden anrichten.

„Mit den richtigen Schutzmaßnahmen, vor allem durch Rückstausicherungen, lassen sich enorme Schäden verhindern“, erklärt der Zivilingenieur für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft Roland Hohenauer von der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen. „Rückstausicherungen sind spezielle Vorrichtungen, wie Rückstauklappen oder Hebeanlagen. Sie verhindern, dass Abwasser und Schmutzwasser bei Überlastung zurück in Häuser fließen und Keller oder Wohnräume überfluten.“

Jürgen Rummel
Jürgen Rummel, Bürgermeister von Neulengbach: „Das Hochwasser 2024 war für unsere Gemeinde ein einschneidendes Erlebnis. Es hat sich damals deutlich gezeigt, wo Vorbereitungen richtig getroffen wurden und wo Prävention vernachlässigt wurde.“ 

Jürgen Rummel, Bürgermeister von Neulengbach in Niederösterreich, hat erlebt, wie wichtig professionelle Prävention ist: „Das Hochwasser 2024 war für unsere Gemeinde ein einschneidendes Erlebnis. Es hat sich damals deutlich gezeigt, wo Vorbereitungen richtig getroffen wurden und wo Prävention vernachlässigt wurde. Als Bürgermeister weiß ich bei diesem Thema, bei dem so viel auf dem Spiel steht, die Beratung der unabhängigen Expert:innen sehr zu schätzen.“

Bestandsgebäude: Hausbesitzer:innen in der Pflicht

Bei bestehenden Gebäuden ohne Rückstausicherung liegt die Verantwortung in erster Linie bei den Hausbesitzer:innen. Gemeinden können nur eingeschränkt Vorschriften machen: In Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark, Kärnten und Vorarlberg können Gemeinden nur in Ausnahmefällen vorschreiben, dass nachträgliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. In Oberösterreich und Salzburg ist das einfacher: Dort können Gemeinden nachträglich Präventionsmaßnahmen anordnen, wenn eine Gefahr für Schäden festgestellt wird. Ein Sonderfall ist Tirol. Hier sind Gemeinden verpflichtet, nachträglich Auflagen vorzuschreiben, wenn durch Hochwasser eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht.

Die Haftung der Gemeinden und Bürgermeister:innen als Baubehörden

Eine sogenannte Amtshaftung der Bürgermeister:innen als Baubehörden erster Instanz für ein Unterlassen der Vorschreibung zusätzlicher Auflagen ist rechtlich gesehen in nahezu allen Bundesländern unwahrscheinlich. Nur in Tirol sieht es anders aus: Da hier eine Verpflichtung besteht, falls erforderlich nachträglich Auflagen vorzuschreiben, kann eine Amtshaftung für das Unterlassen der Vorschreibung nachträglicher Auflagen nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Im Übrigen können Gemeinden als Kanalbetreiberinnen für Schäden, die durch die öffentliche Kanalisation entstehen, haftbar sein. In Oberösterreich und Salzburg können sie sich durch nachträgliche Auflagen absichern, in anderen Bundesländern ist das nur eingeschränkt möglich. Laut Leitfaden kann Hausbesitzer:innen allerdings ein Mitverschulden treffen, wenn ihr Gebäude gar keine Rückstausicherung hat.

Strengere Vorschriften bei Neubauten

Bei neuen Bauprojekten haben Gemeinden deutlich mehr Möglichkeiten und auch Pflichten: Schon bei der Erteilung einer Baubewilligung müssen Schutzmaßnahmen gegen Starkregen, Hochwasser oder andere Katastrophen berücksichtigt werden. Das erfolgt auf Ebene der Raumordnungen, Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne. 

Können notwendige Schutzmaßnahmen durch Auflagen sichergestellt werden, müssen diese verpflichtend vorgeschrieben werden. Ist ein erforderliches Schutzniveau überhaupt nicht erreichbar – auch nicht mit Auflagen –, darf keine Baubewilligung erteilt werden. Der Leitfaden stellt allerdings klar, dass das Risiko einer Amtshaftung auch hier gering bleibt.

Öffentliche Kanalisation auch unter Privatgrund Gemeinde-Sache

Viele öffentliche Kanalrohre verlaufen unter Privatgrundstücken. Trotzdem sind Gemeinden verpflichtet, diese regelmäßig zu warten und im Ernstfall schnell zugänglich zu machen. Am besten geschieht das in Absprache mit den Eigentümer:innen – notfalls können Gemeinden auch eine Duldungspflicht durchsetzen. Das gilt auch für die Sanierung von Putzschächten und die Installation von Rückstausicherungen.

Mehr Infos 

Hauseigentümer:innen tragen die Verantwortung dafür, alle Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene gemäß ÖNORM B2501 mit geeigneten Sicherungen zu versehen und diese zu warten. Auch Gemeinden stehen in der Verantwortung, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Haftungsrisiken zu verringern.
Mit frühzeitiger Beratung durch Planer:innen, wie etwa Ziviltechniker:innen für z. B. Bauwesen oder Kulturtechnik, lassen sich Schäden verhindern und rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden. Eine gute Planung schützt nicht nur Gebäude, sondern auch Nerven – und hilft, teure Schäden sowie langwierige Streitigkeiten zu vermeiden.

Ziviltechniker:in finden: ziviltechniker.at
Download des kostenlosen Leitfadens hier

 

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