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In der Praxis wird eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person zur Verwendung personenbezogener Daten wohl eher selten vorliegen.
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Datenschutz bei Gemeinderatssitzungen

Müssen aufgrund der neuen Datenschutzbestimmungen Sitzungen des Gemeinderates öffentlich oder nichtöffentlich sein? Dürfen Protokolle über Sitzungen des Gemeinderates im Internet veröffentlicht werden und sind dabei „Schwärzungen“ zulässig?

Sitzungen des Gemeinderates

Grundsatz der Öffentlichkeit

Sitzungen des Gemeinderates haben grundsätzlich öffentlich zu sein; dies wird in der Bundesverfassung (Art. 117 Abs. 4 B-VG) und in § 47 der NÖ Gemeindeordnung 1973 (NÖ GO) bestimmt. Aus beiden Gesetzesbestimmungen ergibt sich, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Behandlung eines Gegenstandes in einer Sitzung des Gemeinderates die Ausnahme darstellt.

Ausnahmen

a) § 47 Abs. 1 NÖ GO ordnet an, dass individuelle hoheitliche Verwaltungsakte nur in einer nichtöffentlichen Sitzung behandelt werden dürfen.

b) Weiters kann nach § 47 Abs. 2 NÖ GO auf Antrag des Vorsitzenden oder von drei Mitgliedern des Gemeinderates die Öffentlichkeit durch Gemeinderatsbeschluss ausgeschlossen werden. Ebenso kann der Bürgermeister gemäß § 47 Abs. 3 NÖ GO bereits bei der Festsetzung der Tagesordnung bestimmte Gegenstände in eine nichtöffentliche Sitzung verweisen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist generell nicht zulässig bei der Behandlung des Voranschlages und des Rechnungsabschlusses sowie bei Wahlen und beim Bericht des Prüfungsausschusses, sofern bei letzterem die Geheimhaltung nicht im Interesse einer Gebietskörperschaf t oder der Parteien geboten ist.

§ 47 NÖ GO nennt keine Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit; es handelt sich um eine „Kann-Bestimmung“, die Entscheidung liegt im Ermessen des Bürgermeisters bzw. des einzelnen Gemeinderatsmitglieds.

Ein möglicher Ausschlussgrund könnte sein, dass die Angelegenheit der Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG und § 21 Abs. 2 NÖ GO) unterliegt. Dies ist für die konkrete Angelegenheit nach diesen Bestimmungen jeweils im Einzelnen zu prüfen. Ergibt diese vorzunehmende Abwägung kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse, kann die Öffentlichkeit nicht mit dem Hinweis auf eine bestehende Amtsverschwiegenheit ausgeschlossen werden.

Ein weiterer Ausschlussgrund könnte im Datenschutzrecht gelegen sein: 

Ziel der EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Unter „personenbezogenen Daten“ bezeichnet Artikel 4 Ziffer 1 DSGVO

„alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann“;

Mit „Verarbeitung“ wird in der DSGVO folgendes gemeint:

„jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang (..) im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten“ bezeichnet, wie „das Erheben, Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;“ 

Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist generell jede Verarbeitung personenbezogener Daten verboten.

Nur bei Vorliegen eines ausdrücklich in der DSGVO angeführten Erlaubnistatbestandes ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig.

Die Verwendung personenbezogener Daten in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung könnte sich auf einen der nachstehenden Erlaubnistatbestände stützen:

  • Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung (Art 6 Abs 1 lit a DSGVO)
  • die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erfolgt aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung (Art 6 Abs 1 lit c DSGVO)
  • die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt (Art 6 Abs 1 lit e DSGVO)

In der Praxis wird eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person wohl eher selten vorliegen, es sei denn, diese wurde im Vorfeld eingeholt.

Die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten der von der Angelegenheit betroffenen Person - und damit die Beibehaltung der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung - kann aber (Einzelfallprüfung!) möglicherweise damit argumentiert werden, dass diese Verarbeitung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung des Gemeinderates erfolgt und/oder für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt.

So weist § 35 NÖ GO dem Gemeinderat bekanntlich zahlreiche Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zur selbständigen Erledigung zu.

Es kann argumentiert werden, dass es sich bei dieser Zuweisung um eine rechtliche Verpflichtung des Gemeinderates handelt, die genannten Angelegenheiten zu behandeln.

Auch finden sich in der Aufzählung des § 35 NÖ GO Angelegenheiten, die wohl als „Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegen“, zu qualifizieren sind.

So etwa die Veräußerung von unbeweglichem Vermögen und der Abschluss von Bestandverträgen.

Diese Angelegenheiten der Vermögenswirtschaft sind insoferne datenschutzrechtlich wohl „einschlägig“, als argumentiert werden könnte, dass der Verarbeitung personenbezogener Daten (Name des Käufers bzw Bestandnehmers samt Geldbeträgen) das Datenschutzrecht der betroffenen Person entgegenstehen könnte.

In diesem Zusammenhang ist auch die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz (DSG) zu prüfen. Demnach

„hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.“

Diese Verfassungsbestimmung stellt auf das „schutzwürdige Interesse“ ab, welches aber dann ausgeschlossen ist, wenn die Daten allgemein verfügbar sind.

Dies wird für Kaufvertragsdaten zu treffen, weil der Kaufvertrag dem Grundbuchsgericht vollinhaltlich vorzulegen ist und nach grundbücherlicher Durchführung von jedermann in der Urkundensammlung des Grundbuchs eingesehen werden kann.

Ob für jemanden, der mit der Gemeinde einen Bestandvertrag schließen möchte, ein höheres schutzwürdiges Interesse daran besteht, dass diese Angelegenheit unter Ausschluss der (Gemeinde-) Öffentlichkeit erörtert und beschlossen wird, als für die (Gemeinde-) Öffentlichkeit auf Information darüber, an wen und zu welchen Konditionen Gemeindevermögen in Bestand gegeben wird, wird in der Regel wohl zu Gunsten der Interessen der (Gemeinde-) Öffentlichkeit ausfallen.

Gleiches gilt meines Erachtens auch für die Vergabe von Subventionen, insbesondere an juristische Personen. Zum einen regelt die DSGVO das Datenschutzrecht für natürliche, nicht für juristische Personen, zum anderen handelt es sich bei Subventionen dann nicht um geheimzuhaltende Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 Datenschutzgesetz, wenn diese Daten allgemein verfügbar sind. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die Subvention nach gesellschaftsrechtlicher Vorschriften zu veröffentlichen ist, z. B. in einem Jahresabschluss oder in Geschäftsunterlagen, die im Wege des Firmenbuches für jedermann einsehbar wären.

c) Der - ausdrücklich als Ausnahme vorgesehene - Ausschluss der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderates kann sohin nur vorgenommen werden, wenn eine eingehende Prüfung des Einzelfalls ergibt, dass ein konkreter Ausschlussgrund vorliegt.

Die bloße „Verarbeitung“ (Verwendung) personenbezogener Daten in der Behandlung von Angelegenheiten bedeutet noch nicht, dass solche Angelegenheiten - ungeprüft - („vorsorglich“, „automatisch“ oder „aus Datenschutzgründen“) bei Erstellung der Tagesordnung sogleich in den nichtöffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung verwiesen können oder hierüber die Öffentlichkeit während laufender Sitzung ausgeschlossen werden kann.

Dagegen sprechen der verfassungsrechtliche Grundsatz der Öffentlichkeit, die aufgezeigten Erlaubnistatbestände der DSGVO, sowie die Verpflichtung im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen des Gemeinderates im Internet - Darf eine Gemeinderatssitzung im Internet veröffentlicht werden?

Zur Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen im Internet ist auf § 53 Abs. 6 NÖ GO zu verweisen, welche bereits seit 2013, sohin lange vor den jüngsten Änderungen im Datenschutzrecht, besteht.

Aus dieser Bestimmung folgt:

  • Die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet ist unzulässig.
  • Die Veröffentlichung von - zuvor genehmigten - Sitzungsprotokollen öffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet ist zulässig; § 53 Abs. 6 NÖ GO stellt die ausdrückliche gesetzliche Grundlage hierfür dar.
  • Die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen öffentlicher Gemeinderatssitzungen ist nicht zwingend erforderlich („darf“, nicht „muss“), es besteht hierfür keine gesetzliche Verpflichtung.

Eine aus „Datenschutzgründen“ vorgenommene Unkenntlichmachung („Schwärzung“) eines genehmigten Sitzungsprotokolls einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, bevor dieses im Internet veröffentlicht wird, wäre jedoch unzulässig:

  • Es besteht hierfür keine gesetzliche Grundlage. Auch aus dem Motivenbericht zur Gesetzesnovelle 2013 lässt sich eine solche Vorgangsweise in keinster Weise ableiten.
  • Eine „Schwärzung“ würde der zuvor öffentlich abgehaltenen Gemeinderatssitzung widersprechen. Dies käme einem unzulässigen, nachträglichen Eingriff in die Öffentlichkeit der Sitzung gleich.
  • Weiters würde eine „Schwärzung“ § 53 Abs. 6 GO widersprechen:
    Die Einsichtnahme in das genehmigte Sitzungsprotokoll öffentlicher Gemeinderatssitzungen ist jedermann gestattet. Dieses Recht kann nicht durch „Schwärzungen“ eingeschränkt werden.
    Würde daher ein Protokoll, dass im Internet veröffentlicht wird, zuvor geschwärzt, weist aber dasselbe Protokoll, welches von jedermann im Gemeindeamt eingesehen werden kann, keine Schwärzung auf, so wäre dies unsachlich.
  • kurz gesagt: war eine Sitzung einmal öffentlich, bleibt sie auch öffentlich.