Einheitlicher Bescheid im Mehrparteienverfahren

Auch wenn der Volksmund sagt: „Frage drei Juristen und Du hörst fünf verschiedene Meinungen“ gilt trotzdem: In einer Sache muss gegenüber allen Antragstellern und Parteien einheitlich entschieden werden. Nur so ist klar, welche Rechte und Pflichten bestehen und welche nicht.


Ein Fall aus der Praxis



Eine Wassergenossenschaft ist Eigentümerin eines Grundstücks, für das sie die baubehördliche Genehmigung eines Einfriedungszaunes mit Sockel in einer Länge von 762 Laufmeter beantragte. Eine Nachbarin (in der Folge: Beschwerdeführerin), der mehrerere teilweise unmittelbar angrenzende Grundstücke gehören, wurde von dem Vorhaben verständigt und es wurde ihr mitgeteilt, dass die Baubehörde beabsichtige die beantragte Baubewilligung zu erteilen und – da keine Nachbarrechte berührt würden – von der Abhaltung einer Bauverhandlung abzusehen. Sie könne binnen 14 Tagen eventuelle Einwendungen erheben.



Darauf reagierte die Beschwerdeführerin mit einem Schreiben durch ihren Vertreter (auszugsweise) wie folgt: „Zur oben genannten Verständigung erhebe ich in bekannter Vertretung meiner Gattin nachstehende Einwendungen, welche Sie zwar deshalb, weil ich Sie heute nicht mehr zur Post geben kann und daher erst am Sonntag per Fax absende, als allenfalls verspätet zurückweisen können, deren Rechtsfolgen Sie aber trotzdem zu tragen haben. Beim Landesgericht läuft eine Klage unsererseits gegen die Bauwerberin auf „Vertragszuhaltung“ in Bezug auf den sog. Paketvertrag. Um dieses Verfahren hinauszuzögern, hat man gegen uns eine Klage auf Feststellung eingebracht, dass die Kündigung des Wasser- und Abwasservertrages durch die Bauwerberin zu Recht besteht. Dass es im LG in wesentlichen Punkten um mindestens 7 falsche, nicht dem sog. Paketvertrag entsprechende Teilungspläne geht, die von wem immer, in Betrugsabsicht in Auftrag gegeben und von [einem näher genannten Diplomingenieur] auf Grund der Kenntnis oder Nichtkenntnis des Paketvertrages falsch errichtet wurden, wobei es um Differenzen bis zu über 1.000 m² ging, betrifft insbesondere das nunmehr eingereichte Projekt der Bauwerberin, in Bezug auf den, bisher nicht grundbuchsmäßig auf meine Gattin übertragenen ostseitigen Grundstücksteil. Weiters nur die, von Verbrechern (die mich klagen sollen) in maoistischer Weise beabsichtigte Absperrung des sog. Brunnendreiecks durch diese Einfriedung, wohin ich mich aber vorher mit unserem Bagger begeben sollte, (was ich aber nicht tue, weil [eine näher genannte Person] gegen mich ebenso rechtswidrig vorginge) um den 20 cm in das Grundstück meiner Gattin reichenden Abwasserpumpenschacht zu begradigen. Nachdem man aber in bekannter Manier auch ihrerseits – die ebenfalls irgendwann von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen werden muss – eine schnelle Sache machen wollte, spreche ich mich so lange nicht für die Errichtung dieser Einfriedung aus, bis eine zivil- und strafrechtliche Lösung in Bezug auf den Paketvertrag mit seinen falschen Grundgrenzen erfolgt ist. Wenn Sie aber, Ihrem geistigen und charakterlichen Niveau entsprechend, die Gefahr eines Amtsmissbrauches in dieser Materie ignorieren, dann tun Sie einfach Ihrem Belieben entsprechend weiter. Als Beilage überreiche ich die Kopie der Vereinbarung zwischen [einem näher genannten DI] und mir. Ich ersuche um Nachricht Ihrerseits und werde Akteneinsicht nehmen.“



Der Bürgermeister erteilte die Baubewilligung für die Errichtung des beantragten Einfriedungszaunes inklusive Sockel. Begründend wurde in diesem Bescheid unter anderem ausgeführt, dass eine weitere Stellungnahme zum gegenständlichen Bauvorhaben - welche sich nicht unmittelbar auf das gegenständliche Bauvorhaben beziehe - von der Beschwerdeführerin eingebracht worden sei und hierüber gesondert abgesprochen worden sei.



Dieser Bescheid wurde der Bauwerberin zugestellt, nicht jedoch an die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin erhielt stattdessen einen gesonderten Bescheid vom Bürgermeister mit dem ihre Einwendungen als unbegründet abgewiesen wurden. Nachdem die dagegen erhobene Berufung abgewiesen worden war, landete das Verfahren beim Landesverwaltungsgericht (LVwG 07.07.2015, LVwG-AB-14-0754). Die Berufungsbehörde hielt dabei fest, dass keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts geltend gemacht worden sie. Vielmehr sei darin lediglich auf privatrechtliche und „vom Inhalt abweichende Themenbereiche“ eingegangen worden, weshalb über diese Einwendungen gesondert abgesprochen worden sei. Ein strittiger Grenzverlauf sei zwar unter Umständen eine entscheidende Vorfrage in einem Bauverfahren, allerdings habe die Beschwerdeführerin lediglich auf ein Gerichtsverfahren betreffend „Vertragszuhaltung“ verwiesen, woraus die Behauptung, das Bauvorhaben stünde nicht auf Eigengrund, gar nicht abgeleitet werden könne.

Die Entscheidung



Der Spruch eines Bescheides hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Lässt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden (§ 59 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG)).

Ungeachtet der Frage, ob das Schreiben der Beschwerdeführerin inhaltlich zutreffend war, wurde darin erkennbar begehrt, das gegenständliche Bauvorhaben nicht zu bewilligen.



Die Baubehörde erster Instanz hat das Ansuchen der Bauwerberin und die sich gegen die Erteilung einer Bewilligung richtende Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Anlass genommen, einerseits einen die Baubewilligung erteilenden Bescheid zu erlassen und andererseits in einem gesonderten Bescheid die „Einwendungen“ als unbegründet abzuweisen. Mit der Abweisung der Berufung gegen den zweitgenannten Bescheid, hat die belangte Behörde diesen Ausspruch der Baubehörde erster Instanz übernommen.



Damit hat sie sich aber über die Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG hinweggesetzt. Diese sieht nämlich vor, alle die Hauptfrage (im vorliegenden Fall jene betreffend die Bewilligung des beantragten Vorhabens) betreffenden Parteianträge zu erledigen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass auch im Mehrparteienverfahren die Sache durch einen einheitlichen, an alle Parteien gerichteten Bescheid zu erledigen ist. Unter den „die Hauptfrage betreffenden Parteienanträgen“ iSd § 59 Abs. 1 AVG sind insbesondere auch die Einwendungen zu verstehen. Auch unzulässige Einwendungen sind im Spruch des Bescheides zurückzuweisen.



Aufgrund des § 59 Abs. 1 erster Satz AVG ist über Einwendungen in dem Bescheid, mit dem die Hauptfrage entschieden wird, abzusprechen, weil eine gesonderte Entscheidung über die begehrte baurechtliche Bewilligung einerseits und über die dagegen erhobenen Einwendungen andererseits rechtlich nicht möglich ist.



Die Berufungsbehörde hätte daher die ersatzlose Aufhebung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz verfügen müssen. Für die Erlassung des gesonderten Bescheides besteht keine Rechtsgrundlage, weshalb dieser ersatzlos aufzuheben war.

Schlagwörter