Wie der OGH hervorhebt, können gegenüber Domain-Grabbern die namensrechtlichen Ansprüche nie verwirkt werden.

Achtung: Verwirkung der Gemeindenamensrechte

Eine Gemeinde hat kraft ihres Namensrechts einen Rechtsanspruch auf die gleichlautende Domain. Das hat nun auch der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigt.


Ausgangsfall



Der Ortsname „Unken“ hat schon im Provisorialverfahren die Gerichte beschäftigt. Die klagende Gemeinde Unken und die Beklagten streiten über die Frage, ob die Beklagten zur Nutzung des – urkundlich erstmals 1128 erwähnten – Namens der Klägerin als Internet-Domain berechtigt sind („unken.at“). Die erstbeklagte Gesellschaft bietet Internetdienstleistungen an, der Zweitbeklagte ist ihr Geschäftsführer. Er hatte die strittige Domain im Jahr 2000 von einem Dritten für die Erstbeklagte erworben. Dies stellte die Klägerin 2002 fest, als sie versuchte, die Domain für sich selbst registrieren zu lassen. Es wurde eine einfache „Postenkartenseite“ mit Verlinkung auf die Gemeindehomepage eingerichtet. Eine formelle Zustimmung zur Nutzung ihres Namens erteilte die Gemeinde nicht. In den Folgejahren so ca. ab 2009 gestaltete die Erstbeklagte die Website um, löschte die Verlinkung und leitete Internetnutzer automatisch auf eine unter „lofer.at“ betriebene Website der Nachbargemeinde weiter. Sie richtete auch Subdomains (nach dem Muster „name.unken.at“) und E-Mail-Postfächer (nach dem Muster „name@unken.at“) ein und stellte diese ihren Kunden zur Verfügung. Im Jahr 2012 forderte der Bürgermeister der Klägerin von den Beklagten die Herausgabe der Domain. Diese stimmten nicht zu, boten aber der Klägerin die Gestaltung einer darunter aufrufbaren Website an, wofür die Klägerin einmalig 4000 bis 6000 Euro sowie monatlich 2000 Euro zahlen sollte. Die Gemeindevertretung lehnte das ab und klagte.



Die ersten beiden Instanzen, das LG Salzburg und das OLG Linz, gaben der Unterlassungs- und Herausgabeklage statt. Zur Frage, ob und gegebenenfalls welchen Organen der Gemeinde die Nutzung der Domain für E-Mail-Adressen und Subdomains bekannt war, trafen die Instanzgerichte weder Positiv- noch Negativfeststellungen.



Der OGH ließ das außerordentliche Rechtsmittel der Beklagten zu und hielt folgendes fest: „§ 58 Abs 1 MSchG (Markenschutzgesetz) ist analog auf namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften anzuwenden. Maßgebend für die Kenntnis der Nutzung durch eine Gemeinde ist nach Salzburger Gemeinderecht der Wissensstand des Bürgermeisters oder jener Person, die nach den internen Vorschriften für die Bearbeitung von namensrechtlichen Fragen verantwortlich ist.“ Zur Klärung der möglichen Verwirkung hinsichtlich der Nutzung der Ortsdomain für ein paar E-Mail-Adressen bzw. eine sogenannte „Subdomain“ zum Betrieb einer Panorama-Webcam (unter der Adresse: http://www.unken.at/webcamxyz) wurde aufgehoben und an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen. Das Verfahren befindet sich dort im Stadium der weiteren Beweisaufnahme.

Grundsätzliches zum Anspruch der Gemeinden auf ihre Domainnamen



Das eingangs zitierte Urteil gibt ganz deutlich den Stand der österreichischen Rechtsprechung zu Orstnamendomains wieder:


  • Ortsnamen besitzen in der Regel Unterscheidungskraft im Sinne des § 43 ABGB; dies zumeist aus historischen Gründen. Eine Zuordnungsverwirrung tritt daher auch bei der Verwendung des Gemeindenamens in der Form unterhalb einer Top-Level-Domain ein (hier: unken.at). Als Worte der Alltagssprache sind „Unke“ und „unken“ nicht so gebräuchlich, dass sie bei einer .at-Domain die Zuordnung zur Gemeinde ausschlössen.

  • Die genehmigte Nutzung einer Ortsnamensdomain erfordert nach § 867 ABGB die formale Zustimmung des nach der jeweiligen Gemeindeordnung zuständigen Vertretungsorgans gemäß den internen Organisationsvorschriften für die Wirkung aktiver Vertretungshandlungen.  Dem Domaininhaber ist zuzumuten, die Zustimmung der Gemeinde zur Nutzung des Domainnamens vorab einzuholen6.

  • Wird ein Ortsname ohne weiteren Zusatz als Domain verwendet, so nehmen die angesprochenen Kreise an, dass der Namensträger – in welcher Weise auch immer – hinter dem Internetauftritt steht; damit tritt unabhängig vom Inhalt der allfällig zugehörigen Website eine Namensverletzung ein. Diese ist durch eine sogenannte gerichtlich angeordnete Domainlöschung zu beseitigen.

  • Einen Anspruch auf Domainübertragung gewährt das Gesetz lediglich für „.eu“-Domains aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des Art 20 Abs 11 VO (EU) 2004/8747.

  • Namensrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Domainlöschung können auch gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH erfolgreich geltend gemacht werden. Dieser ist aufgrund seiner Organstellung jedenfalls passiv legitimiert und besteht seine persönliche Haftung8.

  • Das Rechtsinstitut des Domain-Grabbing beinhaltet auch nach dem UWG 2007 (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb aus dem Jahr 2007) subjektive Elemente. Anders ist es nicht zu erklären, dass der OGH9 zwar den objektiven Tatbestand der Domain-Vermarktung bzw. der Domain-Blockade durch die Beklagten grundsätzlich bejaht, allerdings die Schädigungsabsicht, aus der sich erst die Unlauterkeit im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UWG für einen Unterlassungsanspruch ergibt, verneint.


Die mögliche Verwirkung der Domainnutzung durch die Gemeinde



Der österreichischen Rechtsordnung ist ein allgemeiner Verwirkungstatbestand, wie ihn beispielsweise das deutsche Zivilrecht in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Deutschland kennt, fremd. Lediglich im Zusammenhang mit der geschäftlichen Verwendung von bestimmten Domain-Nutzungen könnten Gemeinden in die missliche Lage kommen, Ansprüche gegen Domaininhaber zu verlieren. für die „Verwirkung durch Duldung“, analog dem Markenrecht ergeben sich folgende Tatbestandsvoraussetzungen11.


  • Duldung des Namensträgers

  • in Kenntnis der Domainnutzung durch die beklagten Parteien

  • während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren



Wie der OGH hervorhebt, dürfen die beklagten Parteien bei Aufnahme der Nutzung nicht bösgläubig gewesen sein. Das heißt, gegenüber Domain-Grabbern können die namensrechtlichen Ansprüche nie verwirkt werden.



Eine „Duldung“ kann nur vorliegen, wenn dem Berechtigten ein Vorgehen gegen den Verletzer rechtlich überhaupt möglich war. Es bedarf darüber hinaus stets der Duldung einer konkreten, spezifischen Nutzung. Die Duldung ist ein tatsächliches Verhalten. Dabei muss sich aus dem Gesamtverhalten des Namensträgers bzw. seiner ihm zurechenbaren Organe unzweideutig ergeben, dass er gegen die Benutzung des kollidierenden jüngeren Zeichens nicht einschreiten werde. Auch insofern trifft den Domainhaber die volle Beweislast.



Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Gemeinde kraft ihres Namensrechts einen Rechtsanspruch auf die gleichlautende Domain – gleich unterhalb welcher Top-Level-Domain – besitzt. Für „gemeindename.eu“ besteht sogar ein gesetzlicher Übertragungsanspruch. Eine Verwirkung des Namensrechts kann nur gegenüber ganz spezifischen Domainnutzungen zum Beispiel einzelnen E-Mail-Adressen oder dergleichen eintreten, niemals gegen die Ortsnamensdomain an sich. Um eine Verwirkung sicher zu verhindern, muss spätestens fünf Jahre ab Kenntnis der jeweiligen Domainnutzung dagegen mit Klage vorgegangen werden.

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