Mann mit leerer Geldtasche
Die wesentlichen Änderungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetz betreffen das Abschöpfungsverfahren.
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Die Privatinsolvenzreform 2017

Das Arbeitsprogramm, das die Bundesregierung am Morgen des 30. Jänner 2017 bekanntgab, enthielt auch eine unliebsame Überraschung für alle Gläubiger in Form der Ankündigung eines radikalen Umbaus des Privatinsolvenzrechtssystems unter dem Titel: „Die zweite Chance – Kultur des Scheiterns", die vornehmlich gescheiterten Unternehmern eine zweite Chance auf eine Rückkehr in ein geordnetes Leben geben soll. Mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG 2017) wurde das Privatinsolvenzrechtssystem novelliert und die Bestimmungen sind mit November 2017 in Kraft getreten. Die wesentlichen Änderungen betreffen das Abschöpfungsverfahren, welches auf fünf Jahre (vorher sieben) verkürzt und in welchem die zehnprozentige Mindestquote beseitigt wurde.

Ab Februar 2017 war es in allen Bundesländern in Erwartung günstigerer Entschuldungsmöglichkeiten zu restriktiven Antragstellungen gekommen und es wurden über das Jahr daher um nahezu 15 Prozent weniger Privatinsolvenzen angemeldet. Im November 2017 – also im ersten Monat der neuen Rechtslage – war die Zunahme der Eröffnungen noch weit unter den Erwartungen, weil im ersten Monat erhebliche Kapazitäten der Gerichte und Schuldnerberatungen an „Altfälle" gebunden waren, auf welche die neue Rechtslage zurückwirkt.

Dramatische Entwicklung zu Jahresende 2017

Im Dezember 2017 haben überproportional viele Ex-Unternehmer mit hohen Verbindlichkeiten einen Privatkonkurs beantragt. Dies führte dazu, dass von den Gesamtpassiva der eröffneten Privatkonkurse im Jahr 2017 von 762,4 Milionen Euro 105,6 Millionen auf die im Dezember eröffneten Privatkonkurse entfallen sind.

Ebenso wie im Dezember 2017 waren auch im Jänner 2018 die Insolvenzanträge von Ex-Unternehmern überproportional. So haben wiederum zahlreiche vormalige Unternehmer mit Verbindlichkeiten von mehreren Millionen Euro Privatkonkurse beantragt, sodass die Gesamtverbindlichkeiten der im Jänner 2018 eröffneten Privatkonkurse 109,4 Millionen Euro betragen.

Mit der neu eingeführten fünfjährigen Entschuldungsfrist liegt Österreich nun im europäischen Mittelfeld. Die Dauer entspricht im Wesentlichen der deutschen „Wohlverhaltensphase" (nach Bezahlung der Verfahrenskosten).

Bemerkenswert ist, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigten Einleitungen unmittelbarer Abschöpfungsverfahren ohne angebotene Zahlungen in den ersten Monaten nicht existent waren. Wie in der Vergangenheit ist daher damit zu rechnen, dass der „Zahlungsplan" auch künftig das primäre Entschuldungsinstrumentarium darstellen wird. In der Vergangenheit haben nämlich zirka 70 Prozent der Schuldenregulierungsverfahren mit einem Zahlungsplan geendet.

Was bedeutet dies nun für die Gemeinden?

Grundabgaben mit privilegierten Vorzugspfandrecht auf die Liegenschaft sind meist betreibungsseitig unproblematisch und durch die Liegenschaft weitgehend gesichert.

Auch nach einer Löschung eines Unternehmens (zum Beispiel nach einer Konkursabweisung mangels Vermögens) bleibt die persönliche Haftung für gewisse handelnde Personen (Einzelunternehmer, Geschäftsführer mit Haftungsbescheid etc.) für die Kommunalsteuer aufrecht. Ein nachfolgender Privatkonkurs dieser Haftenden ist nicht selten und deshalb rät der Alpenländische Kreditorenverband auf alle Fälle zur Anmeldung der Kommunalforderung.

Seit dem Fallen der Zehn-Prozent-Hürde im Abschöpfungsverfahren nutzt der AKV seine Datenbanken dazu, um Informationen über „neu angehäufte Schulden" systematisch zu erfassen. Der Grund dafür steht im
§ 210 IO: „Dem Schuldner obliegt es, während der Rechtswirksamkeit der Abtretungserklärung keine neuen Schulden einzugehen, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen kann." Nach unseren Erfahrungen werden jedoch im Laufe eines Abschöpfungsverfahrens bei bis zu 20 Prozent der Fälle von Schuldnern neue Schulden eingegangen.

Bereits mit Bekanntwerden der Änderungen in der Privatinsolvenz hat der AKV damit begonnen, systematisch Anträge nach § 211 IO zu stellen. Das heißt: Der AKV stellt dabei im Namen des ursprünglichen Insolvenzgläubigers Antrag auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens. Das Gericht überprüft die Anträge und stellt gegebenenfalls das Abschöpfungsverfahren ein. Die Entschuldung des unredlichen Schuldners mit einer Nullquote wird dadurch abgewehrt und der Schuldner kann die nächsten 20 Jahre keinen Antrag auf Abschöpfung mehr stellen.

Für die Gemeinde bedeutet dies wiederum, dass ihre Ansprüche wieder zur Gänze aufleben.

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