Beim Gespräch von Alfred Riedl mit Bundeskanzler Christian Kern wusste dieser noch nicht, dass zwei Stunden später Vizekanzler Reinhold Mitterlehner das Handtuch werfen würde.

Der Präsident auf Vorstellungstour

Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl nahm die ersten Wochen in der neuen Funktion zum Anlass, um sich bei allen Bundesministern vorzustellen und die für Gemeinden wichtigen Themen persönlich zu besprechen. Der Großteil der Gespräche fand noch vor dem Neuwahlbeschluss statt.





Ein akutes Thema dabei: die Recycling-Baustoffverordnung, wo es auch um die Behandlung von Streusplitt geht. „Wir konnten mit dem Minister klarstellen, dass wir bei der Wiederverwertung von Streusplitt nicht unbedingt ein aufwändiges Recyclingverfahren brauchen, sondern mittels Sichtkontrolle klären können, ob der Streusplitt erneut eingesetzt werden darf“, so Riedl. In einem Anwenderhandbuch soll das noch einmal präzisiert werden.



Das Ökostromgesetz, die künftige Behandlung von Klärschlamm im Rahmen des Bundesabfallwirtschaftsplans oder die Sicherstellung der Finanzierung der Siedlungswasserwirtschaft waren weitere Themen, die besprochen wurden.



Im Büro von Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter war der in Arbeit befindliche Masterplan für den ländlichen Raum eines der Hauptthemen. Ein weiterer Punkt war die Recycling-Baustoffverordnung.

Gemeinden brauchen direkte Vertragsfähigkeit mit dem Bund



Mit großem Interesse empfing auch Bundeskanzler Christian Kern die Gemeindebund-Spitze. Zu diesem Zeitpunkt wusste er sichtlich noch nicht, dass zwei Stunden später Vizekanzler Reinhold Mitterlehner das Handtuch werfen würde. „Wir haben dem Bundeskanzler klar gemacht, dass die Gemeinden die direkte Vertragsfähigkeit mit dem Bund unbedingt brauchen“, so Gemeindebund-Chef Riedl. „Damit könnten wir auch Wünsche des Bundes künftig rascher und ohne Umwege umsetzen.“ Auch der Ausbau der Breitband-Versorgung und die Aktion 20.000 standen auf der Agenda. „Ich bin für lösungsorientiertes Denken in dieser Hinsicht“, sagte der Kanzler. „Bedenkenträger gibt es ohnehin genug. Ich wünsche mir, dass wir diese Aktion möglichst rasch fixieren können“, meinte Kern und traf damit auf große Offenheit bei den Gemeindevertretern. „Arbeit haben wir genug in den Gemeinden“, so Riedl. „Es muss nur klargestellt sein, dass wir diese zusätzlichen Kräfte nicht dauerhaft einstellen können.“



Bei Bundeskanzler Christian Kern machte Riedl klar, dass die Gemeinden die direkte Vertragsfähigkeit mit dem Bund unbedingt brauchen. „Damit könnten wir auch Wünsche des Bundes künftig rascher und ohne Umwege umsetzen.“

Immer mehr Verfahren gegen Bürgermeister



Bei Justizminister Wolfgang Brandstätter – zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht Vizekanzler – war eines der wichtigsten Anliegen der Gemeindebund-Delegation die zahlreichen rechtlichen Verfahren, die gegen Bürgermeister eingeleitet werden. Davon umfasst ist das ganze rechtliche Spektrum: Anonyme Anzeigen, Amtsmissbrauchsverfahren, Korruptionsvorwürfe, strafrechtliche Verfahren usw. „Dass ein Bürgermeister mit einem Bein im Kriminal steht, wird ein immer stärkerer Faktor, der dazu beiträgt, dass sich dieses Amt kaum mehr jemand antun will“, betont Präsident Riedl im Justizpalast.



Brandstetter, der als Anwalt selbst Bürgermeister in solchen Fällen vertreten hat, kennt die Problematik und zeigte großes Verständnis für die Anliegen des Gemeindebund-Präsidenten:



Riedl hatte aber auch eine lange Liste an Vorschlägen für die Verwaltungsvereinfachung mit. So könnte die Geschworenenliste direkt durch die Verwendung der zahlreichen zentralen Register angelegt werden. Bisher mussten Bürgermeister diese Listen alle zwei Jahre aus der Wählerevidenz erstellen. Ähnlich verhält es sich mit der Abwicklung von Meldefällen durch Justizanstalten. Gemeinden, die Standort von Justizanstalten sind, haben immensen Aufwand bei der Bearbeitung der entsprechenden Meldefälle. Diese könnten direkt durch die Mitarbeiter der Justizwache in das Zentrale Melderegister eingegeben werden.



Über drei Ecken funktioniert auch die Erfassung der Gerichtsbeschlüsse im Zentralen Personenstandsregister. Diese werden vom Gericht an die Gemeinden übermittelt, wo sie schließlich ins Zentrale Personenstandsregister eingegeben werden müssen. Auch diese Eingabe könnte direkt erfolgen. Brandstetter zeigte sich auch bei diesen Vorschlägen nicht abgeneigt: „Ich werden prüfen lassen, ob sich das technisch machen lässt.“



Beim Termin mit Wolfgang Brandstetter und den Experten des Justizministeriums standen Strafrecht, Schadenersatzhaftung und Verwaltungsvereinfachungen auf der Tagesordnung.

Thema Katastrophenschutz beim Verteidigungsminister



Bei Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil gab es wenig schwierige Themenfelder für die Kommunalvertreter. „Wir sind uns darüber einig, dass beim Katastrophenschutz die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und dem Bundesheer essentiell ist“, so Doskozil. „Für die Ersthilfe sind die Feuerwehren zuständig und gut ausgebildet. Wenn es längeren Bedarf gibt, wie es bei großen Einsätzen oft der Fall ist, dann steht das Bundesheer jederzeit bereit, um zu unterstützen. Hier gibt es aber bislang keinerlei Probleme.“



Die Gemeindebund-Spitze mit Alfred Riedl, Walter Leiss und Rupert Dworak bei Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. In Katastrophenfällen ist das Bundesheer ein wichtiger Partner der Gemeinden.

Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen



Thematisch heikler wurde es bei Familienministerin Sophie Karmasin. „Es gibt relevante 15a-Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern, die demnächst auslaufen“, so Alfred Riedl. „Wir brauchen hier verbindliche Zusagen, dass diese Vereinbarungen verlängert oder erneuert werden. Da geht es um den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch um Konfinanzierungen bei der Betreuungleistung selbst.“ Auch hier wäre eine direkte Vertragsfähigkeit zwischen Bund und Gemeinden hilfreich, ergänzte Riedl. Die Familienministerin zeigte sich aufgeschlossen gegenüber den Wünschen der Kommunalvertreter. „Wir müssen aber natürlich schauen, wie es nach der Neuwahl weitergeht. Eventuell könne man bestehende Vereinbarungen um ein Jahr verlängern, bis man bei der Planung für eine aufgabenorientierte Finanzierung weitergekommen sei.“



Bei Familienministerin Sophie Karmasin pochten Riedl und Generalsekretär Leiss auf die Verlängerung oder Erneuerung der 15a-Vereinbarungen zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sowie der Konfinanzierungen bei der Betreuungleistung.

Bürokratische Anforderungen werden immer mehr



Über ähnliche Themenfelder verhandelten Riedl und seine beiden Vizes mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid. „Es kann nicht sein, dass wir im Schulbereich immer mehr Aufgaben übertragen bekommen, die aus unserer Sicht einfach nicht Job der Schulerhalter sind“, so Riedl. „Bevor wir uns darüber unterhalten, dass die Schulen mehr Assistenzpersonal zur Bewältigung administrativer Aufgaben bekommen, müssen wir darüber reden, warum die bürokratischen Anforderungen immer höher steigen. Wenn wir diese Aufgaben nicht ständig steigen lassen, dann brauchen wir auch kein zusätzliches Personal. Der Bund ist hier ja der Erfinder neuer Regeln, wir müssen das dann oft ausbaden.“



Auch im Bereich der Nachmittags- oder der sozialen Betreuung in Schulen sei der Bund gefordert. „Wir haben Fälle, wo wir im gleichen Gebäude bis zu fünf verschiedene Dienstverhältnisse haben“, so Riedl. „Das geht so nicht, hier braucht es eine Klarstellung. Die Gemeinden sollen für Erhaltung und Reinigung zuständig sein, der Rest geht uns eigentlich nichts an.“ Hammerschmid sagte weitere Verhandlungen zu. „Es ist mir wichtig, dass wir die Gemeinden in diesem Themenfeld weiterhin an Bord haben. Ohne sie wird der Ausbau schulischer Betreuungsformen nicht funktionieren.“

Dauerthema Eisenbahnkreuzungen



Zu Infrastrukturminister Jörg Leichtfried brachten die Gemeindevertreter das schwere Erbe seiner Vorgänger/innen mit. „Das Thema der Eisenbahnkreuzungen wurde im Rahmen des Finanzausgleiches zwar einigermaßen gelöst“, so Riedl. Zwei wichtige Punkte seien aber immer noch offen. „Zum einen legen uns die Bahnbetreiber, hier vor allem die ÖBB, unverhältnismäßig hohe Rechnungen vor, die völlig intransparent sind. Wieso kostet die technische Ausstattung einer Kreuzung bei den ÖBB das doppelte wie bei anderen Bahnbetreibern“, so Riedl. Und trotz des Gemeindebund-Sieges vor dem VfGH würden immer noch viele Gemeinden auf den Kosten der Vergangenheit sitzen, „auch das akzeptieren wir in dieser Form natürlich nicht“. Konkrete Zusagen konnte Leichtfried dahingehend nicht machen. „Ich werde das aber prüfen und mit den ÖBB besprechen“, stellte er in Aussicht. Auch der Breitband-Ausbau soll künftig einfacher werden. „Viele Gemeinden leiden unter der komplexen Abwicklung der Förderprogramme“, berichtete Riedl. „Für eine kleinere Gemeinde ist ein solches Förderverfahren ohne professionelle Begleitung kaum machbar. Da brauchen wir einfachere Regeln.“



„Das Thema der Eisenbahnkreuzungen wurde zwar einigermaßen gelöst“, meinte Riedl beim Termin mit Infrastrukturminister Jörg Leichtfried. Dass aber viele Gemeinden auf den Kosten sitzen bleiben, sei nicht akzeptabel. Ein weiteres Gesprächsthema: Der Ausbau der Breitbandversorgung

Zügige Reform des Wahlrechts



Bei Innenminister Wolfgang Sobotka herrschte ein vertrautes Gesprächsklima. Man kennt sich aus vielen Jahren der gemeinsamen Arbeit aus Niederösterreich. Dennoch liegt den Gemeindevertretern einiges am Herzen. „Die Reform des Wahlrechts etwa sollten wir zügig umsetzen“, so Riedl, „wenn möglich noch vor der Neuwahl. Über die wesentlichen Punkte besteht ja Einigkeit, auch darüber, dass ein zweiter vorgezogener Wahltag von praktisch allen Beteiligten abgelehnt wird. Er bringt keine höhere Wahlbeteiligung und erhöht nur den Aufwand. Das wissen wir aus jenen Bundesländern, die ihn auf Landesebene eingeführt haben.“ Stattdessen müsse man die Briefwahl sicherer machen und ausweiten. „Wenn jeder in den Wochen vor dem Wahltag seine Stimme via Briefwahl mit der Post oder am Gemeindeamt abgeben kann, dann brauchen wir keinen zweiten Wahltag“, so Riedl. Auch die Auszählung der Briefwahlstimmen direkt in der jeweiligen Gemeinde soll noch Teil einer möglichen Wahlrechtsreform sein, wenn es nach den Gemeindevertretern geht.



Bei Innenminister Wolfgang Sobotka herrschte ein vertrautes Gesprächsklima. Man kennt einander aus der gemeinsamen Arbeit aus Niederösterreich. Hauptthema war die Reform des Wahlrechts. Foto: BMI Michael Dietrich




Insgesamt, so Riedl und die Vizepräsidenten Dworak und Hingsamer, seien diese Ministertermine für den Gemeindebund von großer Wichtigkeit. „Wir wollen diesen Dialog sehr intensiv führen, um klarzumachen, wie sich Dinge auswirken, die im Bund beschlossen werden“, so Riedl. „Dazu bedarf es einer guten und regelmäßigen Gesprächsbasis. Wir werden den Regierungsvertretern immer die Möglichkeit von Verhandlungen geben, dazu muss man aber eben auch mit uns reden wollen.“ Weitere Gespräche stehen in den nächsten Wochen auf der Tagesordnung der Gemeindebund-Spitze.

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