Adelsnamen und Judikatur

Nach der jüngsten Judikatur fallen für österreichische Staatsangehörige Adelsbezeichnungen in Namen weg, auch jene, die durch eine Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen erworben wurden.





Der Adel der österreichischen Monarchie war kein homogenes Gebilde, sondern hat sich entsprechend der unterschiedlichen Völker und Länder zusammengesetzt, die das Kaisertum Österreich seit dem Jahr 1804 bildeten. Schon unter Kaiser Joseph II. bemühte man sich um die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Standesbegriffe, die ihren Ursprung in den adelsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Länder der österreichischen Reichshälfte hatten. Es kam aber nie zu einer adelsrechtlichen Kodifikation. Der Adel konnte auf vielfache Weise erworben werden – durch Abstammung, Eheschließung, Legitimation, Adoption und Verleihung mittels „Allerhöchster Entschließung“. Auch kraft eines Amtes oder durch Erfüllung bestimmter Voraussetzungen konnte ein Adelstitel an Zivil- und Militärpersonen verliehen werden. Offiziere konnten durch herausragende militärische Leistung oder besondere Tapferkeit durch Verleihung eines bestimmten Ordens geadelt werden. Diese Einzelentscheidungen wurden von der Adelsrechtsbehörde gesammelt und werden im österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv, aufbewahrt.



Im 19. Jahrhundert gab es fünf Adelsstufen:


  • einfacher Adelsstand mit oder ohne Ehrenwort „Edler“,

  • Ritterstand,

  • Freiherrnstand („Baronie“),

  • Grafenstand und

  • Fürstenstand.



Der einfache Adelsstand und der Ritterstand bildeten gemäß der Entscheidung des Ministeriums des Inneren vom 5. März 1877 den niederen Adel und die anderen drei Stufen den hohen Adel.

Adelsaufhebungsgesetz



Nach langen Diskussionen und mehreren Entwürfen beschloss die “Konstituierende Nationalversammlung“ mit dem Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden vom 3. April 1919, Staatsgesetzblatt Nr. 211/1919, die Aufhebung des Adels. Mit dem Ende der NS-Diktatur lebte das Adelsaufhebungsgesetz am 27. April 1945 als österreichisches Gesetz wieder auf und steht gemäß Art. 149 B-VG im Verfassungsrang.



Das Adelsaufhebungsgesetz verweist bezüglich der Ausführung der einzelnen Bestimmungen auf die Vollzugsanweisung über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden vom 18. April 1919, Staatsgesetzblatt Nr. 237/1919. In dieser werden in § 1 auch die „ausländischen Vorzüge“ angeführt.

Judikatur



Nach dem in Verfassungsrang stehenden Adelsaufhebungsgesetz sind österreichische Staatsbürger nicht berechtigt, Adelstitel und Adelsprädikate ausländischen Ursprungs zu führen (VfGH 27.11.2003, Zl. B 557/03-12). In einem weiteren Erkenntnis (VfGH 26.06.2014, B 212/2014-17, B 213-215/2014-14) wurde diese Auffassung bestätigt.



Ferner hat der EuGH in der Rechtssache Sayn-Wittgenstein C-208/09 vom 22.12.2010 ausgeführt, dass es nicht unverhältnismäßig erscheint, wenn ein Mitgliedstaat das Ziel der Wahrung des Gleichheitssatzes dadurch erreichen will, dass er seinen Angehörigen den Erwerb, den Besitz oder den Gebrauch von Adelstiteln oder von Bezeichnungen verbietet, die glauben machen könnten, dass derjenige, der den Namen führt, einen solchen Rang innehat. Eine solche Ablehnung ist nicht als eine Maßnahme anzusehen, die das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt ungerechtfertigt beeinträchtigt. Das Adelsaufhebungsgesetz bewirkt keinen unzulässigen Eingriff in Artikel 8 EMRK, die Achtung des Privat- und Familienlebens, weil es zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer demokratischen Gesellschaft verhältnismäßig ist, Vorrechte der Geburt oder des Standes zum Ausdruck bringende Namensbestandteile bzw. deren Weitergabe als Ausdruck des Grundsatzes, das allen Staatsbürgern gleiche Rechte zukommen, zu unterbinden.



Es ist daher davon auszugehen, dass das Adelsaufhebungsgesetz auch bei der Weitergabe eines Namens im Wege der Abstammung und im Zuge einer Eheschließung Vorrang genießt.



Auch dürfen eingebürgerte Staatsbürger keine Adelsprädikate tragen, auch dann nicht, wenn sie diese bei ihrer Einbürgerung vor Jahrzehnten noch als „Teil des Familiennamens“ behalten durften. In diesen Altfällen ist ein Änderungsverfahren aufgrund der Judikaturvorgabe einzuleiten. Ein Statutenwechsel nach IPRG ist dem im Verfassungsrang stehenden Adelsaufhebungsgesetz unterzuordnen. Weiters spricht das VfGH-Erkenntnis vom 26.06.2014, Zln. B 212/2014-17, B 213-215/2014-14, ausdrücklich aus, dass die ältere widersprechende Rechtsprechung des VwGH (VwSlg. 3476 A/1954, VwGH 11.2.1957, 2261/56; 18.11.1957, 1645/57; 12.1.1959, 960/58; JBl 1959, 642) und OGH (SZ 147/1952) durch die jüngere Rechtsprechung ersetzt wird.



Gemäß § 2 des Adelsaufhebungsgesetzes ist „die Führung von Adelsbezeichnungen, Titel und Würden untersagt. Übertretungen werden von den politischen Behörden mit Geld bis zu 20.000 Kronen oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft“. In einem Strafverfahren gegen eine Person, die eine Visitenkarte mit der Aufschrift „Helmut Freiherr von R-B“ im öffentlichen Gebrauch verwendet hatte, wurde ein Bescheid erlassen, mit einer Geldstrafe von 0,10 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von einen Tag und acht Stunden (Bescheid des UVS Wien vom 2.10.2007, Zahl 06/42/7783/2007).



Als Folge dieses Bescheides wurde am 22. April 2015 ein Entschließungsantrag betreffend Bestrafung der verbotenen Führung von Adelstiteln im Parlament mit der Begründung eingebracht, dass der Strafrahmen des § 2 Adelsaufhebungsgesetzes auf Kronen lautet. Dieser seit Art. 149 Abs. 1 B-VG, BGBl 1920/1, iVm Adelsaufhebungsgesetz bundesverfassungsgesetzlich festgelegte Betrag wurde bisher weder ausdrücklich noch inhaltlich durch eine Verfassungsbestimmung geändert (die Währungsumstellungs- und Straferhöhungsvorschriften sind stets einfachgesetzlich getroffen worden). Der Strafrahmen wurde folglich seit 1919 nie der aktuellen Währung und dem Wertindex angepasst. Die Folge ist derzeit noch strittig.



Überdies ist das in der Verfassung verankerte republikanische Prinzip die Staatsform, die im Gegensatz zur Monarchie kein ererbtes oder von Aristokraten gewähltes politisches Spitzenmandat vorsieht. Im Fall einer demokratischen Republik muss die Spitzenfunktion des Staates von einem oder mehreren direkt oder indirekt auf Basis des allgemeinen Wahlrechts gewählten Mandataren ausgeübt werden. In der Frühphase der Republik Österreich stand das republikanische Prinzip noch nicht aufgegebenen Herrschaftsansprüchen des Hauses Habsburg gegenüber, gegen die sich die Republik mit dem Habsburgergesetz absicherte.

Vorgangsweise bei Personen mit Adelsprädikaten



Die in jahrzehntelanger Verwaltungspraxis für deutsche Staatsangehörige übliche Vorgangsweise, Adelsnamen, die nach Weimarer Reichsverfassung zum bürgerlichen Familiennamen wurden, für österreichische Staatsbürger zuzulassen, ist aufgrund der neuesten Judikatur nicht mehr aufrecht zu halten.



Wird im Anlassfall ein Adelstitel oder Adelsprädikat evident, ist je nach Sachverhalt ein Änderungs- beziehungsweise ein Berichtigungsverfahren durch die befasste Personenstandsbehörde (Standesamt) einzuleiten. Wird die unzulässige Namensführung bei einer anderen Behörde bekannt, so hat diese die nächste Personenstandsbehörde zu verständigen. Die Personenstandsbehörde hat zu prüfen, ob und wenn ja wann eine Eintragung (Personenstandsbuch- oder ZPR-Eintragung) erfolgt ist.


  • Für Einträge vor dem 22. Dezember 2010 sind Änderungsverfahren (i.S.d. § 41 PStG 2013) durchzuführen, wenn der Adelstitel aufgrund der „alten“ Judikatur des VwGH übernommen wurde. Im Änderungsverfahren ist jede Personenstandsbehörde zuständig.

  • Für Einträge nach dem 22. Dezember 2010, die dem Adelaufhebungsgesetz widersprechen, sind aufgrund der ursprünglichen Unrichtigkeit der Eintragungen Berichtigungsverfahren (i.S.d. § 42 PStG 2013) durchzuführen. Im Berichtigungsverfahren ist die feste Zuständigkeit gegeben, d. h. nur die Behörde, die den Personenstandsfall eingetragen hat, darf diesen auch berichtigen.



In beiden Verfahren (Änderungs- als auch Berichtigungsverfahren) ist die betroffene Person in Kenntnis zu setzen und das rechtliche Gehör (i.S.d. § 42 Abs. 3 PStG 2013) zu wahren. Ziel und Ergebnis der Verfahren soll die Entfernung des Adelstitels und Adelsprädikates bei der Namensführung in österreichischen Dokumenten und Urkunden sein (z. B. Maximilian Freiherr von Waldstätten – Maximilian Waldstätten).

Handhabung bei Adelstiteln und Adelsprädikaten aus dem Ausland



Generell haben alle österreichischen Behörden bei ihren gesetzlich zugewiesenen Aufgaben (z. B. Ausstellung von Urkunden oder Registerauszügen, Reisepass, Staatsbürgerschaftsnachweis u. a.) jedenfalls das Adelsaufhebungsgesetz zu beachten. Bei neuen Beurkundungen (z. B. Neugeborenes von Elternteilen mit Adelstitel) sind auch bei den österreichischen Eltern keine Adelstitel mehr einzutragen, selbst wenn deren Personenstandsbücher noch nicht berichtigt wurden oder keine Eintragung im Inland vorliegt.



Auch alle neuen Eintragungen bzw. Erfassungen von Auslandspersonenstandsfällen in das ZPR sind im Sinne der Vorgaben des Adelsaufhebungsgesetzes und der Vollzugsanweisung vorzunehmen.

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