Vizebürgermeisterin Monika Teubenbacher-Schriefl, Gemeindebund-Vizepräsidentin Andrea Kaufmann, Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundesratspräsidentin Margit Göll, Ministerin Susanne Raab und Bürgermeisterin a. D. Sonja Ottenbacher
Vizebürgermeisterin Monika Teubenbacher-Schriefl, Gemeindebund-Vizepräsidentin Andrea Kaufmann, Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundesratspräsidentin Margit Göll, Ministerin Susanne Raab und Bürgermeisterin a. D. Sonja Ottenbacher.
© Franz Gleiß

Frauen an der Gemeindespitze

Vernetzung stärkt, reicht aber nicht

Von 11. bis 12. April fand in Wien zum zweiten Mal die Bundestagung der Bürgermeisterinnen statt, an der erstmals auch Vizebürgermeisterinnen teilnahmen. Der Einladung von Schirmherrin Doris Schmidauer und Gemeindebund-Präsidentin Andrea Kaufmann folgten rund 150 Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen.

Bereits beim Abendempfang von Bürgermeister Michael Ludwig im Wiener Rathaus gab es reichlich Input, der zum Diskutieren und Nachdenken anregte. Ludwig betonte die verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen, die sich in der politischen Repräsentation widerspiegeln sollten: „Frauen sind nicht einfach Frauen. Sie sind unterschiedlicher Herkunft und haben unterschiedliche Erfahrungen, sind unterschiedlich stark benachteiligt und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Diese sollten aber alle von der Politik gesehen und vertreten werden!“ 

Zur Einstimmung auf die inhaltlichen Themen der Tagung gab Anna Sporrer, Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofs, einen historischen Überblick über die Gleichberechtigung von Frauen vor dem österreichischen Recht. Sie zählte dabei Meilensteine auf, wie etwa die Einführung des Wahlrechts für Frauen 1918, die Familienrechtsreform der 70er-Jahre oder das Gleichbehandlungsgesetz 1993.

Social Media als Chance

Die Journalistin Ingrid Brodnig ist Expertin für Hass im Netz und gab den Teilnehmerinnen in ihrem Vortrag einen konkreten und aufrüttelnden Einblick in die sozialen Medien. Welche Risiken einerseits und Chancen andererseits Social Media speziell für Kommunalpolitikerinnen darstellen, wurde anhand von konkreten Beispielen aufgezeigt.

Das Fazit: Frauen sind in den sozialen Medien besonders vielen Anfeindungen ausgesetzt, was strafrechtlich leider nicht immer verfolgbar ist. Dennoch kann Social Media auch dafür nützlich sein, der Diskriminierung von Frauen gezielt entgegenzuwirken, und im Fall von Kommunalpolitikerinnen auch eine große Reichweite für Frauen und ihre Vorbildwirkung erzielen. „Man kann Facebook und Co. super nutzen, um mal öffentlich zu zeigen, wie viele Aufgaben man als Bürgermeisterin eigentlich übernimmt, und damit den Kritikern ein Stück weit entgegentreten“, so Brodnig.

Spitzenpolitik mit Wertschätzung für Frauen in Gemeinden

Das Haupttagungsprogramm ging am Freitag in der Wiener Hofburg über die Bühne. Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßte die Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen als Hausherr, darauf folgten Begrüßungsworte von Schirmherrin Doris Schmidauer. Beide betonten die immer noch herrschenden ungleichen Voraussetzungen von Männern und Frauen und sprachen den Kommunalpolitikerinnen Dank für ihr Engagement aus. Schmidauer: „Es gilt, männlich geprägte Umgangsformen mit den uns bereits bekannten Hebeln aufzubrechen.“ Damit nahm sie Bezug auf die Rahmenbedingungen in der Politik, betonte aber auch, dass man Frauen aktiv Mut zusprechen müsse, nach dem Motto: „I dare! I can! I will!“

Bundeskanzler Karl Nehammer dankte der Initiatorin des österreichischen Bürgermeisterinnen-Netzwerks, Sonja Ottenbacher. Er sprach auch die finanziellen Sorgen der Gemeinden sowie die Schwierigkeiten von Frauen durch ihre Mehrfachbelastung an. Auch der Kanzler mahnte zu einer Veränderung von Sitzungskulturen – mehr im Sinne von nordischen Polit­kulturen, die mit flexiblen und kreativen Lösungen vorangehen. Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl betonte in seinem Begrüßungsstatement die Bedeutung von Vernetzung und Austausch unter Amtsträgerinnen. 

Persönliche Ansprache für Nachwuchsförderung

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle präsentierte eine aktuelle Studie, die vom Österreichischen Gemeindebund in Auftrag gegeben wurde. Es wurden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Vizebürgermeisterinnen aus ganz Österreich befragt. Die wichtigsten Ergebnisse: Die Wahrnehmungen von Frauen und Männern unterscheiden sich signifikant. Hier müsse man ansetzen und auch Männer für mehr Gleichberechtigung sensibilisieren.

Zwei Handlungsempfehlungen

Die Studie bestätigt zwei Problemfelder: Entweder gibt es zu wenig Frauen oder sie wollen nicht. Wenn sie nicht da sind, ist etwas an den Rahmenbedingungen zu ändern. Wenn sie aber da sind, aber nicht wollen, so braucht es mehr aktive Maßnahmen des Empowerments, zum Beispiel der persönlichen Ansprache.

Ein interessantes Ergebnis: Die Mehrheit der befragten Vizebürgermeisterinnen hat keine Ambitionen auf das Bürgermeister-Amt. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Vereinbarkeit von Amt und Familie ist jedoch weniger relevant. Bei den Belastungen im Amt sieht man: Die befragten Männer leiden mehr unter Belastungen. Die Bürokratie wird von Männern stärker als Belastung empfunden. Frauen leiden hingegen stärker unter männlich geprägten Sitzungs- und Parteikulturen. 

Empfehlungen aus Deutschland und der Schweiz

Die deutsche Politologin Helga Lukoschat und der Schweizer Forscher Dario Wellinger gewährten einen Einblick in die Situation der Frauenbeteiligung in den Nachbarländern Schweiz und Deutschland. Hier zeigte sich, dass der Anteil der Frauen in Deutschland ebenso zu wünschen übrig lässt und dass sich der Anstieg sehr langsam gestaltet. 

Zum Abschluss resümierten Schirmherrin Doris Schmidauer, Gemeindebund-Vizepräsidentin Andrea Kaufmann, Bundesratspräsidentin Margit Göll und Susanne Hoyer von der deutschen Plattform „Frauen führen Kommunen“ die Erkenntnisse der Tagung. Die Schlussfolgerung: Frauen müssen Frauen fördern – doch nicht nur sie. 

Auch im Rahmen anderer kommunaler Veranstaltungen – etwa dem Österreichischen Gemeindetag – würde es sich anbieten, Fragen der Gleichberechtigung zu thematisieren und dadurch auch die männlichen Politiker zu sensibilisieren. „Wir müssen die Männer in die Verantwortung ziehen“, so Doris Schmidauer.

Andrea Kaufmann zog zwei Learnings aus der Tagung: „Einerseits müssen wir in den eigenen Gemeinden und im Gemeindebund stärker auf junge Menschen zugehen und ansprechende Formate schaffen. Andererseits müssen wir bestehende Formate nutzen, um mehr Bewusstsein zu schaffen.“ 

Kommunalpolitik besteht zu einem Viertel aus Frauen

Aktuell gibt es in Österreich 227 Bürgermeisterinnen. Von insgesamt 2.093 Gemeinden sind das 10,8 Prozent.

Die meisten weiblichen Ortschefs gibt es in NÖ (83), gefolgt von Oberösterreich (49), der Steiermark (26) und Tirol (21). Im Burgenland gibt es aktuell 17, in Salzburg 14, in Kärnten 10 und in Vorarlberg 7 Bürgermeisterinnen.

Betrachtet man die Gesamtzahl der Kommunalpolitikerinnen in Österreich, so zeigt sich ein durchaus starker Frauenanteil: Aktuell gibt es rund 500 Vizebürgermeisterinnen und rund 10.300 Mandatarinnen (von insgesamt 39.330) in den 2.093 Gemeinden in ganz Österreich. Zusammengerechnet sind also rund 26 Prozent aller Kommunalpolitiker:innen Frauen.