„Kontrollierte Verwilderung“ einer Rasenfläche in Waidhofen an der Ybbs.
„Kontrollierte Verwilderung“ einer Rasenfläche in Waidhofen an der Ybbs.

Mut zur Wildnis

25. März 2024
In jeder Gemeinde finden sich Flächen, die in Blühflächen umgewandelt werden und zur Bereicherung der Artenvielfalt beitragen können. Denken Sie nur an Kies- und Schotterschüttungen neben Straßen, oder Grünflächen die im Drei-Wochenrhythmus gemäht, aber sonst nicht wirklich genutzt werden! Gibt es die Bereitschaft, auf diesen Flächen Blumenwiesen anzulegen, stellt sich die Frage nach der Umsetzung. Denn gar nicht so selten folgt auf eine wohlgemeinte Aussaataktion der Frust, weil die Flächen verunkrauten oder sich nicht so entwickeln wie gewünscht.

von Bernhard Haidler

Oft fehlt das Bewusstsein der Ausführenden oder der Bevölkerung, dass eine klassische Wildblumenwiese nicht die ganze Vegetationsperiode hindurch blüht. Vor dem geistigen Auge hat man oft blühende Margeriten mit Wiesensalbei und anderen Kräutern. Dieser Blühaspekt umfasst jedoch nur ein paar Wochen im Jahr.

Zu einer Wiese gehören aber auch Phasen, wo sie einfach nur grün ist, aber Gräser oder Kräuter hoch stehen oder die Pflanzen verblüht sind, Samen bilden, Stängel dürr sind und in denen Insekten als Larve oder Puppe ihren Entwicklungszyklus durchlaufen können. Diese Aspekte werden oft als unattraktiv oder ungepflegt wahrgenommen. Fragen tauchen auf warum denn hier nicht gemäht wird, hat der Bauhof vergessen oder ist man gar schlampig?

Deshalb ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger schon im Vorfeld zu informieren, dass man eine Blumenwiese etablieren möchte – mit allen damit verbundenen Erscheinungsbildern. Oder man überlegt, wo denn die Anlage einer Blumenwiese sinnvoll ist. Im Ortszentrum, wo in aller Regel ein klassisch gepflegtes Erscheinungsbild gewünscht ist, oder doch eher an der Peripherie oder nicht ganz so repräsentativen Stellen der Gemeinde?

Ruhige Ecken in Parks die nicht bespielt oder anderwärtig genutzt werden, Böschungen, Straßenbegleitgrün an Ausfahrtstraßen sind u. a. Bereiche, die sich gut für die Anlage von Blumenwiesen eignen.

„Kontrollierte Verwilderung“

Der einfachste und billigste Weg zur Blumenwiese ist die „Kontrollierte Verwilderung“ – wenn auch der langwierigste. Diese Methode ist auf Flächen zu empfehlen, die bisher ohnehin nur alle zwei bis drei Wochen gemäht wurden, keiner intensiven Nutzung unterlagen und bereits eine Grundausstattung an Kräutern wie Schafgarbe, Flockenblumen oder Skabiosen aufweisen. Diese Blumen kamen aber bisher nicht zur Geltung, weil sie eben vor der Blüte abgemäht wurden.

Meist finden sich in Gemeinden Flächen, wie Böschungen oder Grünstreifen, auf denen keine Kinder spielen oder die auch sonst nicht genutzt werden. Hier wird der Mährhythmus einfach umgestellt und es wird nur mehr zweimal pro Jahr gemäht. 

Wichtig ist jedoch, das Mähgut von der Fläche zu entfernen. Mit den abgemähten Gräsern und Kräutern werden nämlich auch Nährstoffe entfernt, der Boden magert infolgedessen ab und es kommen jedes Jahr neue Kräuterarten hinzu, welche die Optik und den ökologischen Wert der Fläche aufwerten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Kommunikation und die Aufklärung der Bevölkerung, warum der Mährhythmus umgestellt wurde. 

Richtiges Saatgut entscheidet über Erfolg

Sind in der angedachten Fläche keine Blätter von Kräutern zu erkennen, sondern nur Grashalme vom Rasen, so kann eine komplette Neuanlage überlegt werden. 

Dafür ist zuallererst die Wahl des richtigen Saatgutes entscheidend! Achten Sie beim Einkauf darauf, nur heimisches, standortgerechtes Naturwiesensaatgut mit Kräutern zu kaufen.

Das Saatgut sollte maximal 25 Prozent Gräsersamen enthalten. Ideal sind Mischungen. die mindestens 50 Prozent mehrjährige Kräuter (z. B. Schafgarbe, Flockenblume, Wiesen-knopf usw.) enthalten. Verpackungen mit der Aufschrift „Bienenweide“, „Nützlingsweide“ oder anderen blumigen Bezeichnungen entpuppen sich leider oft als Blühmischungen aus einjährigen Kulturpflanzen, die bald wieder von der Fläche verschwinden. Verunkrautung ist meist die Folge. 

Die Verwendung von einjährigen Mischungen hat den großen Nachteil, dass die Flächen nach ein oder zwei Jahren wieder neu angelegt werden müssen, obwohl natürlich etwa Bienen davon profitieren, wenn die Fläche blüht. 

Aussaat und Flächenauswahl

Der richtige Zeitpunkt der Aussaat und die Flächenauswahl sind mitentscheidend für den Erfolg. Ab Ende April steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Aussaat aufgrund von zu hohen Temperaturen und Trockenheit scheitert. Im Herbst hingegen tragen die kürzere Tageslänge, Morgentau und Nebel dazu bei, das Saatbett gleichmäßig feucht zu halten. Andererseits sind die Bodentemperaturen noch hoch genug, um den Keimvorgang einzuleiten. 

Flächen, die mit Wurzelunkräutern bewachsen sind, eignen sich ebenso wenig wie schattige Standorte für die Anlage von Blumenwiesen. Werden nämlich Bestände, auf denen hartnäckige Wurzelunkräuter wie Ackerwinde oder Schachtelhalm wachsen umgebrochen und gefräst, so potenziert sich anschließend deren Vorkommen. Kleinste Wurzel- oder Rhizomstücke genügen, um daraus eine neue Pflanze wachsen zu lassen.

Wie sät man richtig?

Streuen Sie das wertvolle Saatgut nicht einfach in eine bewachsene Fläche! Der bestehende Bewuchs muss zuerst abgetragen werden. Bei größeren Flächen ist der Einsatz eines Rasensodenschneiders oder einer Fräse zu empfehlen.

Vor der Aussaat sollte dann eine ca. 3 cm dicke Schicht mit Naturkies der Korngrößenfraktion 0/8 aufgebracht werden, um das Niveau anzugleichen. Um den Keimlingen einen Startvorsprung zu verschaffen, kann auf die Kiesschicht eine geringe Menge unkrautsamenfreier Reifekompost (8-10 l m²) aufgebracht werden.

Die Samen in Blumenwiesenmischungen sind größtenteils Lichtkeimer. Deshalb wird das Saatgut nicht in die Erde eingearbeitet. Um trotzdem guten Kontakt mit dem Boden zu gewährleisten, wird das Saatgut nach der Aussaat mit einer Rasenwalze angedrückt. So werden die Samen nicht vom Wind verblasen oder ausgeschwemmt. 

Pflege muss geplant werden

Um dauerhaft Erfolg zu haben, müssen die Pflegeeinsätze geplant werden. Es muss klar sein, wer die Fläche bewirtschaftet und wie! Es ist nicht sinnvoll, Blumenwiesen anzulegen, wenn nicht im Vorhinein gewährleistet werden kann, dass die Wiese zwei Mal jährlich gemäht wird.

Als Faustregel können Mahden eingeplant werden, wenn im Frühsommer die Margeriten verblüht sind sowie im September. Wird die Fläche nur geschlägelt und das Pflanzenmaterial liegen gelassen, wirkt das wie eine Mulchschicht. Durch diesen Filz kommen die Kräuter schwer durch, die Fläche entwickelt sich dann oft in einen reinen Gräserbestand. 

Als Alternative zur klassischen Blumenwiese kann die Aussaat von Sommerblumen in Betracht gezogen werden, allerdings in dem Wissen, dass es sich dabei um keine dauerhaften Bestände handelt und die Flächen jährlich neu angelegt werden müssen. Zum Beispiel dort, wo Lücken im Beet schnell und dekorativ geschlossen werden sollen, oder wo es ganz einfach schnell blühen soll.

Einjährige werden mittlerweile in einer Vielzahl von speziell bienen- oder insektenfreundlichen Mischungen angeboten. Im Handel werden immer öfter diese Pflanzen mit einem entsprechenden Etikett versehen. Diese Mischungen enthalten oft Kornblumen, Ringelblumen, niedrig bleibende Sonnenblumenarten, Bartfaden, Klatschmohn, Schmuckkörbchen, Mehlsalbei, Zinnie, Zweizahn u. a. 

Der Beitrag erschien in der NÖ Gemeinde 12/2023.