Keine Corona Rekorde mehr
Corona wurde fast schon zu sehr Alltag?

Ständig neue Corona-Rekorde - Ein gutes Pressejahr?

Fast jeder sehnt sich ein Ende dieser Pandemie herbei. Dies trifft bestimmt auch auf zahlreiche Medien-Häuser und deren Angestellte zu. Doch es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es für Journalisten selten so leicht war Schlagzeilen zu finden. Und vielleicht würden sogar so manchem Leser die ständig neuen Corona-Rekorde abgehen, wenn sie aus den Zeitungen verschwinden.

"Erneut über 1.000 Corona Neuinfektionen in Österreich"

"Weitere Bezirke wurden auf der Corona-Ampel orange eingefärbt"

"Wann kommt der erste rote Bezirk auf der Corona-Ampel?"

"Über 200.000 Menschen sind in den USA bereits an CoVid-19 verstorben"

"Der amerikanische Präsident hat Corona"

Die Meldungen in den Medien hören sich langsam immer wieder gleich an und besitzen langsam nur mehr Sensationscharakter anstatt wirklichen Mehrwert. Dahingehend muss sich die Berichterstattung auf dieser Seite auch etwas an der Nase nehmen (Trump & Corona, Corona-Ampelsystem etc.). Dieser Beitrag zu den immer neuen Corona-Rekorden soll auch nicht bedeuten, dass die Berichterstattung zu diesem Thema hier aufhören wird. Angesichts täglich neuer Rekordmeldungen, die aus Corona-Berichten nur mehr Schablonen machen, in die Zahlen eingetragen werden, darf aber auch einmal Inne gehalten und reflektiert werden.

Die Rolle der Presse zum Start der Corona-Pandemie

Als die CoVid-19-Krise im März diesen Jahres in Österreich begann, handelte es sich um eine derart neue Situation, dass den Medien eine enorm zentrale Rolle zukam. Die Menschen wussten tatsächlich nicht, ob sie am nächsten Tag in die Arbeit gehen mussten, weil der eigene Job auf dem Bau war oder vielleicht sogar grundsätzlich in Gefahr. Die Menschen in der Gastronomie harrten jeder neuen Meldung, um ihre weitere Zukunft planen zu können. Später stellten sich auch noch brennende Fragen zur Freizeitgestaltung, denn davon hatten die Menschen plötzlich sehr viel. Nur war unklar, welche Freizeitbeschäftigungen oder Reisen nun erlaubt sein würden oder eben nicht. Otto-Normal-Bürger warteten schon direkt gespannt auf die nächste Pressemeldung aus dem Kanzleramt, als ob es ein Fußballspiel wäre. 

In dieser ersten heißen Phase betraten auch fast alle Redaktionen in Österreich Neuland. Kaum jemand wusste so richtig, wie über die Pandemie zu berichten sei. Dieser Umstand hat vielleicht zusätzlich zu einer Authentizität beigetragen, die wiederum das Vertrauen in die Presse zumindest teilweise steigerte.

Die neuen Corona-Rekordmeldungen berühren uns nicht mehr direkt

Mittlerweile haben sich alle Redaktionen angepasst und wissen, wie sie über die andauernde Corona-Pandemie berichten wollen. Leider ist der Kollateralschaden dieser standardisierten Berichterstattung, dass es in der Zeitung oder Internetseite unseres Vertrauens einfach nur mehr eine Spalte mit einer aktuellen Corona-Zahl Statistik gibt. Damit diese scheinbar zufälligen Zahlen überhaupt noch irgendeinen Kontext für uns haben, werden sie mit dem Attribut "Rekord" versehen.

Doch viel ermüdender ist, dass die Corona-Zahlen mit all ihren Rekorden, keinen wirklichen Einfluss mehr auf unser Leben zu haben scheinen. Natürlich ändert sich aufgrund der Infektionszahlen der Alltag für die Schüler und Eltern in bestimmten Bezirken. Selbstverständlich hängen die Infektionszahlen mit Reisewarnungen und damit ganzen Existenzen im Tourismus zusammen. Die Corona-Rekorde haben aber keine Bedeutung mehr für uns, da wir die Zahlen nicht mehr in diese realen Folgen übersetzen können. Das ist vielleicht auch das größte Problem mit dem Corona-Ampelsystem.

Keine Zusammenhänge mehr zwischen Corona-Zahlen, Corona-Ampel und unserem Alltag

Viele Menschen wollen ihr Leben simpel - zumindest in den Bereichen, in denen es möglich scheint. Der Start der Corona-Pandemie war erschreckend, aber gleichzeitig auch erfrischend simpel. Damals hatte jeder in Österreich ein intuitives Verständnis, dass wir die Zahlen drücken müssen, um den Lock-Down aufzuheben. Wir konnten die Torlinie sehen, über die der Ball gebracht werden musste. 

Jetzt, ein halbes Jahr später, hat sich auch das Virus in unsere komplexe Welt perfekt integriert. Nachdem sich die verschiedensten Parteien, von der Bundesregierung bis zu den Gemeinde, von den Unternehmen bis zu den Ärzten, zahlreiche Gedanken über die verschiedensten Aspekte von CoVid-19 gemacht haben, betraten wir wieder eine Welt der Kompromisse. Wir verfolgen nicht mehr das eine universelle Ziel, die Fallzahlen zu senken. Wir wollen die Fallzahlen nur mehr unter Kontrolle halten. Wir haben gelernt mit dem Virus zu leben.

Genau aus diesem Grund sind die neuen Corona-Rekorde nur mehr abstrakt für uns. Derzeit, im Oktober 2020, verzeichnen wir im täglichen Durchschnitt zumindest gleich viele Neuinfektionen als zum Beginn der Pandemie, aber die Panik bleibt aus. Diese ausbleibende Panik hat nachvollziehbare Gründe:

  • Die Kliniken haben dazu gelernt.
  • Die Corona-Behandlungen wurden besser.
  • Wir kennen nun besser die Grenzen unseres Gesundheitssystems.
  • Wir können über Contact-Tracing Cluster besser identifizieren und isolieren.
  • Wir kennen die Sterblichkeitsrate von Corona genauer.
  • Kurzum haben wir gelernt mit dem Virus zu leben!

Das sind aber auch alles die Gründe, warum die Corona-Rekorde ihren Stellenwert verloren haben. In gewisser Weise hatten wir zudem die Hoffnung, die Corona-Ampel würde uns diese einfach verständliche Welt, in der wir die Torlinie sehen, zurück geben. Aber die Ampel ist ein Resultat zäher Verhandlungen und darin ist schon ihr Scheitern, zumindest bezüglich der Erwartungen der breiten Öffentlichkeit, erklärt. Die Verhandlungspartner wollten potentielle Risiken für sich möglichst ausschließen und so entstand eine Corona-Kompromiss-Ampel, die vielleicht noch für eine Schlagzeile oder eine politische Kritik taugt, aber uns nicht das Gefühl gibt, wir kämpfen geeint gegen das Coronavirus.

Erste Rot-Schaltungen der Corona-Ampel am 8. Oktober 2020 in Österreich

Dieser Beitrag scheint aktueller als je zuvor, denn schon ein Bericht der Boulevard-Zeitung "Österreich" sorgt vor Verlautbarung der heutigen Ampelschaltung für viel Aufruhr und Interesse im Netz. Welche Maßnahmen durch diese Rotschaltung jedoch umgesetzt werden, ist keinesfalls gewiss. Es handelt sich aber um eine ausgezeichnete Schlagzeile.