Bild vom österreichischen Parlament
Das Parlament in Wien. Die Geschichte der Verwaltungs- und Staatsreformen ist mindestens so alt wie die Bundesverfassung selbst. Foto: www.BilderBox.com

Keine Staatsreform auf dem Rücken der Gemeinden

Niemand, der auch nur ein bisschen politisch am föderalen Staat Österreich interessiert ist, wird die Notwendigkeit einer Staatsreform abstreiten. Der Wunsch danach ist schon so alt wie die Verfassung selbst. Der Österreich-Konvent in den Jahren 2003 bis 2005 hatte dazu einige Vorschläge gebracht, verlief aber im Sande. Jetzt liegt wieder ein Vorschlag auf dem Tisch, der allerdings gehörige Stolperfallen aufweist.

Die neue Bundesregierung bekennt sich im Kapitel „Staat und Europa“ des Regierungsprogramms an prominenter Stelle zu einer „umfassenden Verwaltungsreform“. Reformschritte sollen in allen Bereichen gesetzt werden, um Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit der Aufgabenerfüllung zu gewährleisten, was letztlich den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen soll.



Insofern hat der Gemeindebund mit Interesse verfolgt, dass mit dem Bundesministeriengesetz, das mit 8. Jänner in Kraft getreten ist, auch ein Ressort eingerichtet worden ist, welches schon in seinem Namen ein ehrgeiziges Programm trägt, nämlich das Ministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.



Zweifelsohne hat man sich die Latte dabei sehr hoch gelegt, aber die Notwendigkeit von Reformen von Verwaltungshandeln und Strukturen wird wohl bei allen Akteuren des föderalen Staates anerkannt werden.

Staatsreform nicht ohne die Gemeinden



Der Österreichische Gemeindebund hat in seinem Forderungspapier an die Bundesregierung die Forderung an die Spitze gestellt, dass eine Staatsreform nicht ohne die Gemeinden umgesetzt werden darf. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Bundesverfassung bereits in die Jahre gekommen ist und es in einer Vielzahl von Bereichen einen Reformbedarf gibt, angefangen von einer neuen Aufgabenverteilung bis hin zum weiteren Ausbau eines kooperativen Bundesstaates und der Stärkung der kommunalen Ebene.



Die Geschichte der Verwaltungs- und Staatsreformen ist mindestens so alt wie die Bundesverfassung selbst. Die heute nach wie vor bedeutenden Themen wie Föderalismus und Subsidiarität, Verwaltungsökonomie und Bürgernähe sind dabei essentiell und werden im Regierungsprogramm mit den Schwerpunkten Qualitätsverbesserungen, mehr Bürgernähe, Effizienzsteigerungen und wirksamer Einsatz öffentlicher Mittel umrissen.



In den Gemeinden wird ein äußerst weites Spektrum von Verwaltungshandeln abgedeckt. Die Kommunen beweisen sich täglich als Dienstleister mit effektiver Bürgernähe und größter Praxiserfahrung. Da ihnen aber für die Leistungen kein Geldhahn zur Verfügung steht, müssen sie sich der nicht immer einfachen Herausforderung stellen, um Qualität, Bürgerorientierung und Wirtschaftlichkeit zu vereinen.



Auch die nach einem Interview von Minister Moser schon viel diskutierte generelle Aufhebung von Gesetzen mit einem älteren Entstehungsdatum wird wohl nach diesen Kriterien gemessen werden müssen. Abgesehen davon spricht das Regierungsprogramm etwas anders über die Durchforstung der Gesetze und Regelungen, nämlich, dass eine Expertenkommission Vorschläge erst zu sammeln und zu prüfen hat.

Keine „Reformen“ auf dem Rücken der Gemeinden



Unbedachte Lösungen bei solchen Vorhaben haben den Gemeinden schon in der Vergangenheit zugesetzt. Ein Beispiel für äußerst unangenehme Folgen für die Kommunen war das im Jahr 2001 im Zuge des Verwaltungsreformgesetzes ersatzlos aufgehobene Rattengesetz (BGBl. 68/1925). Die sogenannte „Reform“ wurde auf dem Rücken der Gemeinden ausgetragen, denn das Problem blieb ja weiter erhalten, nur die Lösung und die damit verbundenen Kosten wurden auf darunter liegenden Gebietskörperschaften, konkret auf die Gemeinden, verschoben. Auch bei diesen vermeintlich einfachen Bagatellen steckt der Teufel im Detail.



Dennoch ist ein Korrektiv für die überbordende Gesetzesflut zu begrüßen. Jahrelang hat der Gemeindebund die Überregulierung kritisiert. Eine Reduzierung und Vereinfachung der Gesetzesmaterien kann daher in vielen Bereichen auch im Interesse der Gemeinden sein. Allerdings hat sich gezeigt, dass gerade die jüngeren Gesetze in stärkerem Ausmaß Probleme für den Vollzug gebracht haben, als die älteren; letztere kamen überdies mit einer weitaus geringeren Regelungsdichte aus, was nicht nur für sprachliche, sondern auch für gesetzgeberische Qualität steht.



Als Träger der staatlichen Verwaltung und des eigenen Wirkungsbereichs haben die Gemeinden die Gesetze zu vollziehen. Insofern ist es die Aufgabe einer kommunalen Interessensvertretung, nicht nur zu den Entwürfen künftiger Rechtsnormen kritische Stellungnahmen abzugeben, sondern auch laufend auf Schwachstellen in der bestehenden Gesetzeslage hinzuweisen und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Die Gemeinden sind aus eigenem Interesse an einer möglichst effizienten, einfachen und modernen Arbeit interessiert, weil sie Haushaltsdisziplin zeigen müssen und ihnen auch kein Geldhahn zur Verfügung steht.



Die Reduzierung von überflüssiger Rechtsmaterie und totem Recht ist daher wohl für die Übersichtlichkeit sicher vorteilhaft, es gibt durchaus alte Rechtsmaterien, die mit einer modernen Verwaltung einfach nichts mehr zu tun haben, etwa das überaus aufwändig zu vollziehende Gebührengesetz aus dem Jahr 1957. Es käme allen Beteiligten der Verwaltungsverfahren entgegen, wenn man diese äußerst komplizierten Vorgaben durch einfach zu bemessende Abgaben auf der jeweils zuständigen Verwaltungsebene ersetzt.

Keine überbordende Regelungen



Den Gemeinden ist es bei der Frage von Reformen vor allem ein Anliegen, dass die für ihre Arbeit maßgeblichen Regelungen nicht überbordend sind, und letztlich, dass die Leistungen der Verwaltung auch tatsächlich notwendig sind und einen Mehrwert für den Bürger und die Gemeinschaft bringen.



Zahlreiche Beispiele haben die Gemeinden aus ihren Erfahrungen aus der Praxis im Sinne einer besseren Handhabbarkeit und wirtschaftlichen Verwaltung zusammengetragen. Um nur wenige Beispiele zu nennen, geht es etwa um die Erleichterung von Gemeindekooperationen, um die Vereinfachung von Wahlvorschriften oder ein konsequentes Datenmanagement für die Verwaltungsdaten ohne Doppelgleisigkeiten.

Sinnentleerte Meldepflichten



Auch die Überladung der Gemeinden mit sinnentleerten Meldepflichten wie etwa im Medientransparenzgesetz ist immer wieder ein Thema. Freilich kommen diese exzessiven Standards nicht nur von der Bundesebene.



Der Gemeindebund hat daher in seiner Position zur Neuorientierung der Europäischen Union eindringlich auf die Notwendigkeit von Folgekostenabschätzungen hingewiesen. Diese Verantwortung muss allerdings auch auf der nationalen Ebene eingemahnt werden, da es leider immer wieder zu den überschießenden Umsetzungen von EU-Recht kommt.

Es wurde zu diesem Zweck daher ein Katalog von Verbesserungsvorschlägen vor allem zur Verwaltungsvereinfachung aus der Praxis zusammengestellt. Die Gemeinden werden ergänzend dazu aufgerufen, solche Vorschläge weiterhin direkt an den Österreichischen Gemeindebund zu melden, um diese Ideen an die Regierung und letztlich an den Gesetzgeber weiterzuleiten



Die Evaluierung der Rechtslage ist in unserem durch den Föderalismus verschränkten Staatswesen laufend erforderlich, sinnvoller Weise muss diese aber mit allen Ebenen der Gebietskörperschaften erfolgen.



Der Wegfall einer gesetzlichen Regelung kann nämlich zu ungewollten Veränderungen der Zuständigkeit führen, ja sogar zu finanziellen Lastenverschiebungen. Exorbitanten Lastenverschiebungen, wie es etwa der Wegfall des Pflegeregresses und die Diskussion um die mögliche Streichung der Notstandshilfe zeigt.

Saubere Aufgabenverteilung und klare Finanzierung



Ein großes Thema möglicher Reformen ist die Idee, eine saubere Aufgabenverteilung und eine klare Finanzierung unter den Gebietskörperschaften zu schaffen. Im Paktum zum Finanzausgleich haben sich alle FAG-Partner einvernehmlich für eine Bundesstaatsreform und Kompetenzrationalisierung unter der Berücksichtigung der Arbeiten des Österreich-Konvents verschrieben.



Der Österreichische Gemeindebund hat dieses Ziel unter Hinweis auf seine lange erhobenen Forderungen nach Entflechtung von Kompetenzen und einer klaren Zuordnung von Aufgaben und deren Finanzierung begrüßt. Eine Staatsreform darf daher nicht nur als eine Entrümpelung alter Rechtsmaterie verstanden werden, sondern muss aus Sicht der Gemeinden eine Aufgabenreform der Gebietskörperschaften enthalten, der eine nachhaltige und klare Finanzierung dieser Verantwortungsbereiche folgt, wie es auch im Konnexitätsgrundsatz unserer Verfassung verankert ist.



Neben einer großen Staatsreform sind aber die kleinen Schritte wohl genauso wichtig. Oft kann auch durch die Summe von abgestimmten Maßnahmen ein beachtlicher Erfolg erzielt werden. Aber auch in diesen Details müssen die Gemeinden wegen ihrer vielfältigen Praxiserfahrung unbedingt eingebunden werden.

Was der Gemeindebund fordert



Der Österreichische Gemeindebund verlangt bei einer anstehenden Aufgabenreform, einer Kompetenzentflechtung sowie bei deregulierenden Maßnahmen jedenfalls ein klares Bekenntnis zu den Prinzipen eines partnerschaftlichen Bundesstaates, zur kommunalen Selbstverwaltung und zum Prinzip der Subsidiarität. Die kommunalen Spitzenverbände sind dabei aktiv einzubinden, denn eine Staatsreform wird es ohne die Gemeinden nicht geben.