Bürgermeister Halb
Fabio Halb: „Die Leute merken es, wenn man sich Zeit für sie nimmt.“

Der junge Stürmer schafft Vertrauen

19. Oktober 2017
Fabio Halb hat die Fußball-Akademie des GAK absolviert, ist gelernter Stürmer und ist im südburgenländischen Mühlgraben seit Kurzem der jüngste Bürgermeister Österreichs.

Herr Halb, wie sind Sie in die Politik gekommen?



Die Politik hat mich grundsätzlich schon immer interessiert. Inder Familie war sie immer ein Tagesthema. Bei der letzten Gemeinderatswahl war ich allerdings noch nicht wahlberechtigt, und auch noch kein möglicher Wahlwerber, aufgrund dessen habe ich vor zwei Jahren den Schriftführerposten in der Ortspartei übernommen.



Damit, dass der bisherige Bürgermeister nach drei Amtsperioden nicht mehr antritt, und damit eine große Veränderung kommt, habe ich selbst nicht gerechnet. Dass es für mich irgendwann einmal in ferner Zukunft vielleicht ein Thema sein könnte – ja! Aber dass es dann so schnell geht, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Vielleicht war es gerade deshalb umso interessanter und umso spannender. Und sicherlich freue ich mich deswegen noch mehr über den Wahlsieg.



Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?



Wir sind eine kleine, feine Gemeinde, mit rund vierhundert Einwohnern, und ich respektiere jeden einzelnen. Das ist das Allerwichtigste. Es geht aber auch sehr viel um Vertrauen. Das muss man sich als Junger umso härter erarbeiten, und das ist mir in den letzten Monaten sehr gut gelungen. Für die Zukunft muss man das halt auch bestätigen. Ich habe keine Vorurteile, kann dadurch in jedes Haus hineingehen und mich mit allen Leuten unterhalten. Darauf kommt es an.



Worin besteht der Vorteil so jung zu sein?  



Wenn man neu in die Politik kommt, hat man weder Vorbelastungen noch Altlasten. Man hat noch einen ganz anderen Blick auf die Dinge, und eventuell gelingt es sogar, einen ganz neuen Stil in die Sache zu bringen. Darum ist es etwas ganz Besonderes.



Wie vereinbaren Sie Ihren Beruf als Bankangestellter und das Bürgermeisteramt?



Das trenne ich sehr streng. Das eine ist der Vollzeit-Job in der Bank. Auch in diesem geht es um Vertrauen, und nicht selten um sehr, sehr viel. Die Bank ist sicher kein Gemeindeamt, und da wird auch nicht über die Politik geredet. Was man außerhalb des Berufes macht ist privat. Da kann ja grundsätzlich jeder entscheiden, was er macht. Dieses „Private“ ist für mich der Bürgermeisterjob.



Vom Tagesablauf her bin ich in der Früh, sofern es möglich ist und sofern ich gebraucht werde, täglich für eine halbe oder dreiviertel Stunde am Gemeindeamt verfügbar, etwa wenn irgendetwas Wichtiges zu unterschreiben, oder zu besprechen ist. Ich habe mir auch vorgenommen, beispielsweise dienstags von 17 bis 19 Uhr, oder zusätzlich am Samstag vormittags am Gemeindeamt verfügbar zu sein.



Zeitlich sollte das möglich sein. Ich hab ja eine Banklehre gemacht, und weil ich beim GAK gespielt habe, bin ich seit meiner Hauptschulzeit über sechs Jahre hinweg immer nach Graz gependelt. Seit eineinhalb Jahren arbeite ich in Jennersdorf. Das ist um vieles angenehmer, weil ich nur zehn Minuten in die Arbeit fahre und durch die Zeitersparnis eine ganz andere Lebensqualität und genügend freie Ressourcen habe.



Welche Schwerpunkte möchten Sie zukünftig setzen? Ist die Abwanderung ein Problem?



Früher hat Mühlgraben einmal 450 Einwohnern gezählt. Das ist jetzt schon lange her. Natürlich ist es so, dass es eine ganz normale Entwicklung gibt. Wir haben eine ältere Bevölkerungsstruktur und das ist eine ganz natürliche Geschichte. Da kann man gar nicht dagegen steuern, weil es nun einmal so ist, dass im Jahr ein paar Gemeindemitglieder versterben. Damit muss man leben.



Ganz wichtig ist, dass man sich bemüht, die jungen Einheimischen, dazu zu bringen, zu bleiben. Dass sie Familien gründen, und dass da etwas entsteht. Aber auch, dass man Auswärtige, und Fremde in den Ort bringt, um wirklich wachsen zu können und attraktiv zu bleiben. Wir können als Gemeinde sehr viel bieten und sind wirklich gut aufgestellt. Wir haben einen Tennisverein, einen Fußballverein, die freiwillige Feuerwehr, den Kameradschaftsbund, das selbst österreichweit ganz an der Spitze liegende Irish Pub, zusätzlich noch ein Gasthaus, und einiges andere auch noch. Also für einen 400-Einwohner-Ort sehr viel. Man muss dafür sorgen, dass einer gern hier lebt, dann geht er auch nicht fort. Das ist für die Zukunft ein ganz wichtiges Thema. Ein weiteres, wichtiges ist außerdem das Thema Zusammenhalt.



Wir haben ein Zehn-Punkte-Programm erstellt: von „Attraktives Dorf“ bis „Zusammenhalt“ Bei letzterem habe ich in den vergangenen Jahren gesehen, dass es nicht mehr sowie früher ist. Früher hat es den Zusammenhalt noch in ganz anderer Form und Intensität gegeben. Die Ausgangslage war noch eine ganz andere. Bei so einer kleinen Gemeinde wie der unsrigen ist es umso wichtiger, dass der eine mit dem anderen kann, denn es kennt wirklich jeder jeden. Das muss man sich erst wieder klein erarbeiten. Infrastrukturmäßig sind wir für so eine Gemeinde ohnehin sensationell unterwegs.



Ist eine Gemeindezusammenlegung bei Ihnen ein Thema?



Früher haben wir zur Gemeinde Neuhaus gehört. Seit 25 Jahren sind wir jedoch gottseidank eigenständig. Das haben wir erst kürzlich gefeiert. Natürlich schauen Zusammenlegungen, wie sie in der Steiermark stattgefunden haben, auf den ersten Blick wirtschaftlich, budgetmäßig, und vom Einsparungspotenzial attraktiv aus. Aber aus der Steiermark erhält man jetzt im Nachhinein schon den Tenor, dass zwar die großen Städte und Gemeinden noch mehr als früher profitieren, die  kleineren Gemeinden aber auf der Strecke bleiben. Angesichts unserer Größe, sind wir ein Vorzeigebeispiel und sensationell gut unterwegs, was die Infrastruktur und das Freizeitangebot betrifft.



Wie schaut es im Ort mit der Pflege aus?



Bei uns gibt es sehr viele ältere Einwohner, die alleine in einem Haushalt leben. Für die gilt es geeignete Modelle anzubieten. Grundsätzlich will man keinen älteren Menschen aus dem eigenen Haus hinaus zwingen. Es besteht allerdings eine erhöhte Gefahr, denn selbst wenn regelmäßig Besuch kommen sollte - wenn etwas passiert, sind sie meist alleine.



Ich habe das vergangenes Jahr bei meiner Großmutter selbst miterlebt. Ich habe meine Oma nach einem Schlaganfall gefunden. Da geht es um jede Minute. Es gilt eine Möglichkeit zu finden Pflegebedürftige im Ort zu halten, vielleicht mit betreutem Wohnen, das in der Gemeinde angeboten wird. Womöglich auch mit der 24-Stunden-Pflege im Ort, oder im Eigenheim selbst.



Was fehlt Mühlgraben?



Ein Manko, das es noch bei uns gibt, ist das Fehlen eines sozialen Treffpunkts. Ein sozialer Mittelpunkt, an dem sich Jung und Alt trifft, wo man Karten spielen kann und wo man sich austauscht. Das haben wir leider momentan nicht. Das Irish Pub sperrt immer erst ab 17:59 Uhr auf. Der Gasthof mit Schlachthof liegt in den Bergen außerhalb, und die ehemalige Diskothek, sperrt nur einmal im Monat für eine regelmäßige Tanzveranstaltung auf. Das ist schade, denn gerade für Ältere, die vielleicht nicht immer ganz so mobil mehr sind, sollte es die Möglichkeit geben, sich mit irgendwem irgendwo zu treffen, Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen. Also in der Hinsicht ist noch einiges zu tun.



Dafür haben wir aber auch einen sehr aktiven Pensionistenverband, der ständig Treffen und Ausflüge veranstaltet. Erst vor zwei Wochen war ich bei einem solchen Treffen zu Besuch. Das war etwas ganz Spannendes, denn für ältere Leute ist der Bürgermeisterjob etwas für einen älteren Herrn mit viel Erfahrung. Und immer, wenn etwas Neues kommt, reagiert man mit Skepsis darauf, denn man ist ja etwas gewohnt, und wenn es immer so war, dann war das halt immer so. Bei der Veranstaltung habe ich aber die Gelegenheit gehabt zu überzeugen, noch einmal auf jeden einzugehen, und ich glaube, das hat es dann im Endeffekt ausgemacht.



Mit 80 Prozent haben sie die Wahl sehr eindeutig gewonnen ...



Die Leute merken es, wenn man sich Zeit für sie nimmt. Wenn man mit ihnen redet, kann man einfach am besten überzeugen, am meisten hineinhorchen, verstehen wo die Menschen der Schuh drückt, und was sie gerne hätten.

Der Mensch hinter dem Bürgermeister



Zuhause ist für mich ...



... meine Gemeinde: Mühlgraben



Ich wünsche mir … Gesundheit, das ist das Allerwichtigste.



Das will ich unbedingt noch erleben ...



Als junger Mensch, so viel wie nur möglich! Von Reisen, über diverse Aktivitäten, einfach alles!



Wovor haben sie Angst?



Es mag immer mal wieder individuelle Ängste geben. Genau beschreiben lassen sich diese mitunter gar nicht.



Wie würden sie sich selbst beschreiben?



Als ein Lebensmensch, der voller Freude und sehr offen ist.



Mein Leitspruch:



Zusammenkunft ist ein Anfang, Zusammenhalt ist ein Fortschritt, Zusammenarbeit ist der Erfolg. (von Henry Ford)