Rupprechter und Gonaus
„Es geht nicht darum, dass wir eine bestimmte Richtung vorgeben, sondern dass wir jede Gemeinde auf ihrem ganz persönlichen Weg unterstützen.“ Bundesminister Andrä Rupprechter im Gespräch mit Bürgermeister Anton Gonaus.

„Mit Weitblick in den Spiegel schauen“

14. Juli 2017
Die Folgen der Landflucht stellen viele Gemeinden vor große Herausforderungen. Umso wichtiger ist eine effiziente und effektive Verwaltung. Das neue Communal Audit verspricht maßgeschneiderte Erfolgsstrategien. Bundesminister Andrä Rupprechter und Bürgermeister Anton Gonaus aus Kirchberg an der Pielach im Gespräch über wesentliche Veränderungen im Auditverfahren und den ersten Testlauf.

Herr Bundesminister, am 25. Juli wird ihr Masterplan für den ländlichen Raum präsentiert. Er soll der zunehmenden Landflucht Einhalt gebieten. Welche Rolle spielt dabei das neue Communal Audit?



Andrä Rupprechter: Wir geben den Gemeinden ein innovatives Werkzeug in die Hand, mit dem sie maßgeschneiderte Strategien entwickeln können. Es geht nicht darum, dass wir eine bestimmte Richtung vorgeben, sondern dass wir jede Gemeinde auf ihrem ganz persönlichen Weg unterstützen. Zugleich können wir Gemeinden mit ähnlichen Projekten vernetzen. Gemeinsam gestalten wir attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume – das ist das beste Rezept gegen die Landflucht.



Herr Bürgermeister Gonaus, Sie nehmen mit Ihrer Gemeinde zurzeit am ersten Testlauf für das neue Verfahren teil. Was wird dabei konkret analysiert?



Anton Gonaus: Es sind so gut wie alle erdenklichen Bereiche abgedeckt – von der Lebensqualität bis zur Verwaltung. Die Kennzahlen sind dementsprechend vielseitig und betreffen zum Beispiel Verwaltungsmitarbeiter pro Einwohner, Kosten pro Quadratkilometer Straße, Förderungen im Umweltbereich und so weiter.



Warum war das Communal Audit für Sie als Bürgermeister interessant?



Gonaus: Man kann sich als Gemeinde in den Spiegel schauen – aber mit dem nötigen Weitblick. Bin ich mit meiner strategischen Ausrichtung auf dem richtigen Weg? Harmonieren die statistischen Daten mit den politischen Aktivitäten? Ist meine Verwaltung modern und professionell aufgestellt?



Rupprechter: Genau das ist unser Ziel. Der Auditprozess macht deutlich, wo eine Gemeinde steht und welche konkreten Maßnahmen für ihre Zukunft wichtig sind. So werden Tendenzen, Potenziale und Entwicklungen klar erkennbar und sämtliche Mittel können optimal eingesetzt werden. Best-Practice-Beispiele liefern zusätz-liche Inspiration.



Gonaus: Im Vergleich mit anderen Gemeinden erkennt man noch besser, was gut funktioniert und wo Luft nach oben ist. Dabei ist es wichtiger denn je, über die klassische Verwaltung hinaus zu denken. Wir müssen überlegen, wie wir unsere gesamte Region attraktiver machen können.



Es gibt das Communal Audit ja schon seit dem Jahr 2003, warum wird es jetzt rundum erneuert?



Rupprechter: Zwischen 2003 und 2013 haben wir fast 700 Audits ermöglicht und das Verfahren 2015 von einem unabhängigen Beratungsunternehmen evaluieren lassen. Die Rückmeldungen aus den Gemeinden waren durchwegs positiv, aber es gab auch eindeutige Verbesserungsvorschläge: Mehr Unterstützung in der praktischen Umsetzung und weniger Aufwand in der Organisation. Beides haben wir uns zu Herzen genommen.



Gonaus: Aus meiner Sicht war es ein wichtiger Schritt, das Audit umzugestalten. Den Gemeinden stehen immer weniger Mittel zur Verfügung, aber die hohen Servicestandards sollen trotzdem gehalten werden. Das neue Verfahren trägt aktiv dazu bei, nachhaltige Lösungen zu finden.



Worin unterscheidet es sich konkret vom „alten“ Communal Audit?



Rupprechter: Ab sofort werden nicht nur Strukturdaten und der Finanzhaushalt analysiert, es wird auch der Managementreifegrad einer Gemeinde festgestellt. Abgefragte Punkte reichen vom Webauftritt über die Kostenrechnung bis hin zum Katastrophenschutzplan. Wird die Gemeinde effizient geführt, vergleichbar mit einem Privatunternehmen? Zum Abschluss des Auditverfahrens wird ein sogenannter Basisreport erstellt. Wir haben aber noch ein zusätzliches Angebot geschaffen: ein Individualmodul mit zwei Workshops. Hier geht es um konkrete Umsetzungs- und Verbesserungsmaßnahmen. Was ist zu tun, welche Schwerpunkte setzen wir? Am Ende stehen klare Ziele und eine nachhaltige Entwicklungsstrategie.



Ein sehr ambitioniertes Projekt – Wie gestaltet sich nun der Testlauf und welche Erkenntnisse hat er bislang gebracht?



Rupprechter: In einem Pilotprojekt mit acht Testgemeinden wurde geprüft, ob die Datenerhebung in der Praxis reibungslos funktioniert – von der Abstimmung mit potenziellen Datenlieferanten über Vorlagen für Berichte bis zur Frage, ob sämtliche Kennzahlen sinnvoll sind.



Gonaus: Bestimmte Kennzahlen klingen zwar aufschlussreich, lassen sich in der Praxis aber schwer festmachen. Zum Beispiel: Was genau werten wir als ehrenamtliche Tätigkeit und was wäre eher als regelmäßiger Nachbarschaftsdienst einzuordnen? Oft ist es schwer, eine klare Grenze zu ziehen. Auch der CO2-Ausstoß lässt sich nicht seriös auf einzelne Gemeinden herunterbrechen. Andere Kennzahlen könnten hingegen dazukommen, wie zum Beispiel zur Barrierefreiheit.



Zu guter Letzt die wohl wichtigste Frage: Ab wann und wie können Gemeinden am neuen Communal Audit teilnehmen?



Rupprechter: Ab Herbst 2017 steht das Communal Audit neu allen ländlichen Gemeinden Österreichs offen. Die Umsetzung ist unkompliziert: Antrag und Abwicklung werden vom jeweiligen Beratungsunternehmen übernommen. Somit entfällt jeglicher Aufwand bei der Förderabwicklung. Schon vorhandene Daten sollen automatisiert bereitgestellt werden, um den Arbeitsaufwand in den Gemeinden zu reduzieren. Diesbezüglich arbeiten wir beispielsweise mit der Statistik Austria zusammen.



Gonaus: Als Bürgermeister kann ich anderen Gemeinden nur empfehlen, das Angebot anzunehmen und sich für das Auditverfahren anzumelden. Es ist kostenlos und macht sowohl wirtschafts- als auch gesellschaftspolitisch Sinn. Die Strukturdaten sind auch eine gute Basis für Gespräche mit Fördergebern, Banken oder Investoren.



Rupprechter: Abschließend möchte ich ebenfalls noch einmal hervorheben: Die Teilnahme am Audit ist kostenlos und wird im Rahmen des Österreichischen Programms für Ländliche Entwicklung 2014-2020 zu 100 Prozent gefördert.