Kind spielt mit Rechenschieber
Besonders groß sind österreichweit die
Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Betreuungsquote von Kindern vor dem Kindergartenalter von drei Jahren. Foto: Shutterstock

Neue Verteilung allein reicht nicht aus

Lang wurde er diskutiert, Studien haben ihn beleuchtet, von vielen Seiten wurde er gefordert: ein aufgabenorientierter Finanzausgleich anstelle einer Verteilung von Finanzmitteln anhand des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Jetzt ist er da – und zwar vorerst für den Bereich der Elementarpädagogik.

Bereits ab 1. Jänner 2018 soll eine teilweise aufgabenorientierte Zuteilung der Gemeindeertragsanteile für den Bereich der Elementarpädagogik (betrifft Kinder von null bis sechs Jahren) erfolgen. Das bedeutet, dass ein noch festzulegender Anteil der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nicht mehr nach der Einwohnerzahl, sondern nach statistischen Indikatoren der Kinderbetreuung verteilt werden soll.



Die Kinderbetreuung gehört zu den ausgabenintensivsten Basisaufgaben der Gemeinden. Pro betreutem Kind geben die Gemeinden im Durchschnitt 6294 Euro aus. Weit darunter liegen Kärnten und Niederösterreich (wobei in Niederösterreich die Personalausgaben für das pädagogische Kindergartenpersonal vom Land übernommen werden). Die Betreuung pro Kind ist in Wien mit Abstand am teuersten (hier sind zwei Drittel der betreuten Kinder in privaten Kindertagesheimen untergebracht). Die großen Unterschiede im Bundesländervergleich lassen die Frage aufkommen, ob ein aufgabenorientierter Finanzausgleich rein auf Basis statistischer Indikatoren zu kurz greifen könnte.



Im Finanzausgleich wurde bis jetzt der Fokus auf die Einwohnerzahl als Verteilungsschlüssel gelegt und somit andere wesentliche Einflüsse auf die Aufgabenstrukturen der Gemeinden ausgeblendet. Eines der Hauptargumente für die Kritik am bisherigen Verteilungsmodell im Finanzausgleich ist, dass sich die Annahmen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels nicht mit den tatsächlichen Anforderungen der Gemeinden decken, weil die Ausgabenbelastung nachweislich nicht ausschließlich von der Einwohnerzahl abhängig ist. Auch daraus resultierte die Forderung nach einer Aufgabenorientierung im Finanzausgleich.

Definition des Begriffs Aufgabenorientierung



Eine Arbeitsgruppe hat nun die Aufgabe, mögliche Indikatoren zu identifizieren und ein Verteilungsmodell zu erarbeiten. Auf den ersten Blick scheint es für die Elementarbildung ausreichend geeignete Indikatoren zu geben: Öffnungszeiten in Stunden, Tagen oder Wochen, Kinder- und Gruppenzahlen sowie Betreuungsschlüssel als Qualitätsindikator. Doch bevor dieser Schritt gegangen wird, wäre eine genaue Definition des Begriffs Aufgabenorientierung wertvoll, um mögliche Auswirkungen abschätzen zu können. So kann sich die Verteilung der Finanzmittel am Betreuungsangebot oder an den tatsächlich erbrachten Leistungen orientieren.



Beide Varianten können jedoch bei unzutreffender Ausgestaltung am tatsächlichen Bedarf vorbeigehen. So zeigt sich, dass die Betreuungsquote in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist. Während in der Steiermark nur 43 Prozent der Kinder bis sechs Jahre in öffentlichen oder privaten institutionellen Einrichtungen betreut werden, sind es in Wien 62 Prozent und im Burgenland 57 Prozent.



Besonders groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Betreuungsquote von Kindern vor dem Kindergartenalter von drei Jahren. In Nieder- und Oberösterreich werden rund zehn Prozent der Kinder im Alter von einem Jahr betreut, in Tirol sind es 23, in Wien 50 Prozent. Welche Umstände die unterschiedlich hohen Betreuungsquoten beeinflussen, müsste erhoben werden. So kann dies zum Beispiel am nicht ausreichenden Betreuungsangebot oder auch am niedrigeren Betreuungsbedarf aufgrund sozio-kultureller Unterschiede liegen.

Notwendige Daten sind derzeit nicht vorhanden



Eine zentrale Aufgabe der eingerichteten Arbeitsgruppe ist es, einen bundesweiten Indikatoren-Mix zu erarbeiten, nach welchem ab 2018 die dafür vorgesehenen Mittel verteilt werden sollen. Voraussetzung dafür ist ein einheitlicher Datenbestand, auf dessen Basis ein Verteilungsmodell entwickelt wird. Naheliegend ist, dass dazu die bestehende Kindertagesheimstatistik herangezogen wird, die auf vertraglicher, nicht jedoch gesetzlicher Basis geführt wird. Auf Grundlage eines einheitlichen Fragenprogramms und eines einheitlichen Merkmals- und Ausprägungsverzeichnisses erfolgt in allen Ländern die Datenerhebung in elektronischer Form. Diese Statistik umfasst Krippen, Kindergärten, Horte und altersgemischte Kinderbetreuungseinrichtungen. Ausgenommen sind Tageseltern, Spielgruppen, Internate, Ganztagsschulen und Schülerheime.



Auf den zweiten Blick ist der Datenbestand als Basis zur Verteilung von Finanzmitteln jedoch nicht ausreichend, da die Daten lediglich auf Ebene der Einrichtungen zur Verfügung stehen (Anzahl der Gruppen je Einrichtung, Öffnungszeiten je Einrichtung, Kinder je Einrichtung etc.). Gruppenbezogene Daten wie Öffnungszeiten in Stunden und Wochen der einzelnen Kindergruppen sowie Anzahl der Kinder je Gruppe liegen laut Statistik nicht flächendeckend vor. So kann der Fall, dass eine Einrichtung mehrere Gruppen mit unterschiedlichen Öffnungszeiten betreibt, im Verteilungsmodell nicht abgebildet werden.



Da die Kosten für die Kinderbetreuung jedoch nicht je Einrichtung, sondern je Gruppe anfallen, ist ein Modell zur aufgabenorientierten Mittelverteilung zumindest auf Ebene der Gruppe zielführend. Nur so kann eine gerechte, aufgabenorientierte Verteilung ermöglicht werden. Eine entsprechende Datenqualität ist dabei – unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten – Voraussetzung.

Strukturelle Eigenheiten in den Bundesländern beeinflussen Ausgaben der Gemeinden



Problematisch wird es aber vor allem dann, wenn unterschiedliche Leistungen und Qualitäten mit einem einheitlichen Verteilungsschlüssel finanziert werden sollen. Zum Beispiel finden sich aufgrund von landesrechtlichen Bestimmungen wesentliche Unterschiede bei den Gruppengrößen und Betreuungsschlüsseln. In Vorarlberg ist die Höchstkinderanzahl mit 16 Kindern pro Kindergartenpädagogin bzw. -pädagogen festgeschrieben. In einer Kindergartengruppe mit einer pädagogischen Fachkraft und erforderlichen Hilfskräften können, wie zum Beispiel auch in Oberösterreich, bis zu 23 Kinder betreut werden. Im Burgenland hingegen sind in mehrgruppigen Kindergärten in einer Gruppe bis zu 25 Kinder, wenn zusätzlich zur pädagogischen Fachkraft mindestens eine Helferin oder ein Helfer für mindestens die Hälfte der Öffnungszeit pro Gruppe eingesetzt wird. Diese Auszüge aus den Landesregelungen zeigen, dass nicht nur die Gruppengrößen unterschiedlich sind, auch die Anforderungen an den Personaleinsatz unterscheiden sich. So kann die Zusammensetzung des pädagogischen Personals unter bestimmten Voraussetzung variieren (z. B. zu Randzeiten, Spielgruppen etc.), ebenso die Anforderungen an das Betreuungspersonal bzw. an die Qualifikation.

Unterschiedliche Nachfragen in den Ländern



Auch die Nachfrage nach den Betreuungsformen ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Je nachdem mit welchem Alter die Kinder in die Kinderbetreuung gebracht werden, gestaltet sich das Angebot von der Krippe über den klassischen Kindergarten bis zur altersgemischten Kindergruppe unterschiedlich.



In Wien wurden zum Beispiel die klassischen Kindergärten von den altersgemischten Einrichtungen abgelöst. In Oberösterreich, der Steiermark und Tirol werden hingegen solche Formen kaum bis gar nicht angeboten. Bei den Krippen als Betreuungsform der Null- bis Dreijährigen zeigt sich ebenfalls ein sehr heterogenes Bild: in den meisten Ländern liegt der Anteil der Krippen gemessen an den Gesamtbetreuungseinrichtungen zwischen 20 und 30 Prozent. In Niederösterreich liegt dieser Anteil bei sechs Prozent, in Vorarlberg besteht diese Betreuungsform laut Kindertagesheimstatistik nicht einmal.

Personalausgaben hängen von den Gruppengröße ab



Die verschiedenen Rahmenbedingungen – seien sie nun durch unterschiedliche Landesregelungen, die demografischen Ausprägungen oder schlicht durch den Bedarf der Bevölkerung bedingt – schlagen sich in der Kostenstruktur der Gemeinden nieder. Vor allem die Personalausgaben hängen stark von der Anzahl der Gruppen und den Bestimmungen zur Gruppengröße ab (was auch für die Gruppe als Basisobjekt für eine aufgabenorientierte Verteilung der Finanzmittel spricht).



Um einen ersten Eindruck hinsichtlich der heterogenen Ausgangssituation zu bekommen, werden die Gesamtausgaben bzw. Personalausgaben der Gemeinden für Kinderbetreuung pro Gruppe über alle institutionellen Betreuungsformen herangezogen. In Kärnten und Oberösterreich liegen die Personalausgaben unter 1000 Euro (in Niederösterreich zwar auch, jedoch werden dort die Kosten für das pädagogische Kindergartenpersonal vom Land übernommen). Mehr als doppelt so hohe Ausgaben pro Gruppe tragen die burgenländischen Gemeinden, in Wien sind die Personalausgaben pro Gruppe beinahe dreimal so hoch. Die Gesamtausgaben verhalten sich im Bundesländervergleich ebenso heterogen. In Kärnten fallen mit unter 1500 Euro mit Abstand die geringsten Ausgaben pro Gruppe an. Die burgenländischen Gemeinden und Wien tragen die höchsten Gesamtausgaben.



Eine Umgestaltung der Finanzmittelverteilung ohne einer kritischen Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Strukturen, die dadurch finanziert werden sollen, wird nicht ohne eine Vielzahl an Verlierern umsetzbar sein. Falls die bestehenden föderalismusbedingten Unterschiede in den Finanzierungs- und Kostenstrukturen sowie bei den strukturellen Rahmenbedingungen und Qualitätsvorgaben nicht angepasst werden, wird ein bundesweit einheitlich gestalteter, aufgabenorientierter Finanzausgleich zu Ungleichgewichten führen. Damit verfehlt er das eigentliche Ziel, Finanzmittel nach einem fairen System zu verteilen und jenes Ungleichgewicht aufzuheben, das bis jetzt dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel geschuldet ist.