Mann auf dem Weg ins Internet
Die Kosten des Ausbaus sind hoch und der größte Teil dieser Kosten entfällt auf die passive Infrastruktur. In diesem „Infrastrukturgeschäft“ kennen sich die Gemeinden gut aus. Foto: Shutterstock

Ausbau geht nur mit den Gemeinden

27. Februar 2017
Der Breitbandausbau bleibt 2017 ein wichtiges politisches Thema. Die digitale Agenda in Österreich hatte ehrgeizige Ziele für 2020 gesetzt und die Europäische Kommission hat für 2025 schon die Gigabit-Gesellschaft anvisiert.

Nachdem in Österreich erstmals alle drei Fördertöpfe aus der Breitbandmilliarde geöffnet worden sind, haben sich auch die Aktivitäten auf kommunaler Ebene weiter verstärkt. Das Ziel, 100 Mbit/s bis zum Jahr 2020 möglichst flächendeckend verfügbar zu machen, steht an der Spitze der Agenda. Im jüngst verabschiedeten Arbeitsprogramm der Bundesregierung ist dieses Ziel nochmals erhöht worden – auf 10 GBit/s flächendeckend bis 2025.



Ein wichtiges Element dieser Diskussion ist, Breitbandnetze nicht mehr als "Telekommunikationsthema“, sondern als „Infrastrukturthema“ zu betrachten. Mit diesem Blickwinkel wird auch klar, dass es eine wichtige Rolle der öffentlichen Hand gibt. Und bei dieser Rolle stehen die Gemeinden in der ersten Reihe. Grund dafür ist, dass die Kosten des Ausbaus hoch sind und der größte Teil dieser Kosten (60 bis 80 Prozent) auf die passive Infrastruktur (Tiefbau, Leerrohre, Kabel) entfällt. In diesem „Infrastrukturgeschäft“ kennen sich vor allem Gemeinden gut aus und wissen auch um die langen „Payback-Zeiten“, ein Faktor, der in der auf Anwendungen und Dienste ausgelegten Telekommunikationswirtschaft zunehmend hinterfragt wird, seitdem die Wertschöpfungskette „Netzbau – Netzbetrieb - Dienste“ Marktzutritt auf allen Ebenen ermöglicht.

Die Gemeinden orientieren sich dabei vor allem an den strategischen Überlegungen auf Landesebene. Diese sind:


  • Niederösterreich setzt vor allem auf den Ausbau von dezentralen Lagen, die zuständige Landesgesellschaft nöGIG hat 2016 in Pilotregionen die ersten Anschlüsse errichtet. Weite Teile des Landes werden einer Grobplanung für den späteren Ausbau unterzogen. Gemeinden können bereits jetzt mit dem Ausbau beginnen und sich später in das nöGIG-Netz integrieren.

  • Oberösterreich hat ein zusätzliches Landesförderprogramm für Gemeinden und Betriebe, besonders der Landesenergieversorger Energie AG treibt auch den Breitbandausbau in Partnerschaft mit Gemeinden voran.

  • Salzburg hat ein Landesförderprogramm für Unternehmen, der Landesenergieversorger Salzburg AG engagiert sich beim Breitbandausbau.

  • Steiermark hat ein Landesförderprogramm für Unternehmen und unterstützt Gemeinden im Rahmen einer Kooperation mit der Energie Steiermark bei der Entwicklung von Gemeindeprojekten für den Breitbandausbau.

  • Kärnten hat ein Landesförderprogramm und unterstützt die Gemeinden bei der Erstellung von Masterplänen zur Entwicklung eigener Gemeindenetze.

  • Tirol hat bereits seit längerem Landesförderprogramme und setzt besonders auf passive Netze, welche im Eigentum der Gemeinden stehen. Regionale Planungen für Ausbau und Zubringerstrecken erfolgen häufig auf der Ebene der Planungs- oder Gemeindeverbände. Das Land unterstützt die Gemeinden maßgeblich bei den Verfahren und den Ausschreibungen.

  • Vorarlberg, Burgenland und Wien setzen hauptsächlich auf die Aktivitäten der Netzbetreiber.






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Zusätzlich zu den beschriebenen Maßnahmen erfolgen auch Ausbauaktivitäten in allen Bundesländern durch Netzbetreiber. Die A1 Telekom Austria setzt dabei auf die Ertüchtigung bestehender Netze mittels FTTC-Technologie (die Glasfaser wird bis zum letzten Verteilpunkt im Netz geführt, die Hausanschlüsse bleiben unberührt), die Mobilfunkanbieter binden vermehrt Sendemasten an Glasfasernetze an. Stadtwerke gehen verstärkt in Richtung FTTB/FTTH.

Gemeinden sind auf Förderungen angewiesen



Die meisten Länder haben gelernt, dass sie die ihnen zustehenden Fördergelder nur einwerben können, wenn sie den alternativen Sektor und die Gemeinden wirklich aktivieren. Dies bedingt, dass es eine größere Bereitschaft gibt, den Wettbewerb zu unterstützen.



Die Gemeinden sind bei ihren Aktivitäten aber zu einem beträchtlichen Teil auf Förderungen angewiesen. Für sie ist vor allem die sog. Leerrohrförderung des BMVIT ein wesentlicher Hebel des Ausbaus. Aber: trotz des verstärkten Bekenntnisses zu Breitband als Infrastruktur lassen sich in der praktischen Umsetzung (auch und gerade bei den Fördermitteln) häufig Zielkonflikte identifizieren.



Zielkonflikte





Diese Zielkonflikte sollten bei der anstehenden Evaluierung des Förderprogramms betrachtet werden. Das neue Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung adressiert den Breitbandausbau und damit verbundene Themen, wie die Digitalisierung, an mehreren Stellen.

Neben dem Breitbandausbau im Festnetz gibt es auch im Mobilfunk Entwicklungen zu höheren Bandbreiten. Mit der fünften Generation der Mobilfunknetze sollen auch im Mobilfunk Gigabit-Geschwindigkeiten erreichbar sein.



Es gilt als sicher, dass 5G eine wesentlich höhere Dichte an Basisstationen erfordert als dies heute der Fall ist. Die Europäische Kommission treibt die Entwicklung von 5G voran.



Die Mitgliedsstaaten sollen bis Ende 2017 nationale Fahrpläne für den 5G-Ausbau aufstellen und sicherstellen, dass mindestens eine Großstadt bis Ende 2020 „5G-fähig“ ist. Alle städtischen Gebiete und die wichtigsten Landverkehrswege sollen bis 2025 über lückenlose 5G-Anbindung verfügen.

Ein ehrgeiziges Ziel, welches auf die Erfolgsstory des Mobilfunks und insbesondere des mobilen Breitbands aufsetzt. Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung sind folgende Maßnahmen in diesem Bereich vorgesehen:


  • Im ersten Quartal 2017 wird eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zu 5G eingesetzt, die bis spätestens Ende 2017 eine 5G-Strategie inklusive der konkreten Umsetzungsmaßnahmen entwickelt und definiert.

  • Frequenzversteigerungen werden künftig auf Basis wirtschaftlich vertretbarer Auktionsdesigns durchgeführt.

  • Digitale Anwendung in diversen Bereichen wie E-Government, E-Health, Automatisiertes Fahren und Industrie 4.0 stellen wertvolle Use Cases für 5G dar und werden daher bevorzugt vorangetrieben.

  • Erste Tests durch die Telekomanbieter sollen bereits ab 2018 durchgeführt werden, bis 2020 soll 5G in jeder Landeshauptstadt verfügbar sein.






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Fast schon versteckt kommt das Festnetzbreitband im Arbeitsprogramm der Bundesregierung daher. Sie erwartet zwar selbst nur 75 Prozent Durchdringung der für 2020 geplanten 100 Mbit/s für alle, setzt aber als neues ehrgeiziges Ziel – flächendeckendes 10 Gbit/s für 2025. Allerdings ist eine „neue Breitbandmilliarde“ nicht in Sicht, und die würde es (mindestens) brauchen, denn auch trotz immer neuer Ansätze zur „Beschleunigung des Kupfers“, die neue Zielbandbreite 10 Gbit/s wird wohl nur über Glasfaser realisierbar sein. Wie das finanziert werden soll, ist offen: „Verdoppelung der Mittel über Kooperationsmodelle mit privaten Anbietern“ ist der einzige Hinweis, der sich findet.

Mit dem Ausbau von 5G und 10 Gbit/s wird auch eine intensive Bauaktivität einhergehen. Vieles an Infrastruktur für Mobil- und Festnetze ist neu zu schaffen, und es wird Geld kosten. Hier kommen nun wieder die österreichischen Gemeinden ins Spiel. Sie werden sicher wieder als starke Träger des Infrastrukturausbaus gefordert (und vielleicht auch gefördert) werden. Nur mit der öffentlichen Hand lässt sich die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts bauen.



TEXT: Ernst-Olav Ruhle, Vorstand der SBR–net Consulting AG mit Sitz in Düsseldorf und Wien