In Österreich gibt es bereits zu viele versiegelte Flächen.
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Wohin mit dem Regenwasser?

22. Juni 2016
Zunehmende Versiegelung und häufigere Starkregenereignisse zwingen zum Umdenken: Die altbewährten Entwässerungssysteme werden durch die in kürzester Zeit stark anschwellenden Niederschlagsmengen überlastet. Zugleich ist abzusehen, dass durch längere Hitzeperioden und geringer werdenden Niederschlag im Sommer sowohl private Verbraucher als auch die Landwirtschaft ihren Verbrauch steigern ausbauen werden. Die österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) und die Universität für Bodenkultur (BOKU) warnen in einer Studie, dass es durch extreme Wetterlagen, demografische Veränderungen und steigenden Verbrauch zu Engpässen in der Wasserversorgung kommen könnte. Deshalb setzt die wasserorientierte Stadtplanung auf eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, die die Versiegelung neuer Flächen stoppt, Abwasserkanäle entlastet, Kosten senkt, Trinkwasservorräte schont und das Grundwasser vor Umweltgiften schützt.

Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als Gebot der Stunde war auch das zentrale Thema einer Medienveranstaltung der Wasserwirtschaft. Bei der Veranstaltung der Mall GmbH legten Experten der Siedlungswasserwirtschaft Vorschläge zum Umgang mit der Starkregenproblematik in Zeiten des Klimawandels vor.

Dachbegrünungen sollen für Kühlung sorgen

In seinem Vortrag über die Vorteile der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung für das urbane Stadtklima plädierte Klaus W. König für eine wasserorientierte Stadtplanung mit weniger versiegelten Flächen. Gerade im Hinblick auf die im Sommer zunehmende Trockenheit und Hitze könnten Dachbegrünung, Bewässerung und offene Wasserflächen in Städten für Luftbefeuchtung und Kühlung sorgen. Bei zunehmender Hitze komme auch der Regenwassernutzung für die adiabate Abluftkühlung eine immer größere Bedeutung zu. In Deutschland werden laut König jedes Jahr immer noch rund 71 Hektar an Grün- bzw. Ackerland in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt und dabei ca. 50 Prozent versiegelt. Hier sieht König in der Mehrfachnutzung eine geeignete Maßnahme zur Verringerung des Flächenbedarfs; wie etwa Kombinationen aus Dachbegrünung und Photovoltaik, Verdunstungsteich und Solarfassade oder Sickerfläche und Spiel- bzw. Gartenfläche.

Verschmutztes Wasser muss gereinigt werden

Wenn im Rahmen eines dezentralen Regenwassermanagements Wasser stärker versickert wird, steigt allerdings das Risiko einer Grundwasserbelastung. Laut Roza Allabashi von der BOKU Wien sind Abflüsse von Verkehrsflächen und Dächern meist so verschmutzt, dass sie vor der Einleitung oder Versickerung behandelt werden müssen. Um sicherzustellen, dass nicht nur partikuläre, sondern auch gelöste Schadstoffe aus dem Wasser entfernt werden, sollten adsorptive Filtermaterialien mit erhöhten Reinigungsleistungen eingesetzt werden, wie sie die seit Anfang des Jahres geltende ÖNORM B 2506 Teil 3 fordert.

Die in Regenwasser-Sickeranlagen verwendeten Filtermaterialien müssen laut der neuen Norm in der Lage sein, Schwermetalle, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe und Mineralöl aus den Verkehrsflächenabflüssen zu eliminieren sowie unempfindlich gegenüber Streusalz sein, um die Gewässer wirksam schützen zu können.

Technische Filter

Aus Sicht der Mall GmbH Austria forderte Vertriebsleiter Heinz Schnabl, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen und Regelwerke für ganz Österreich ähnliche technische Lösungen ergeben sollten. Stehen keine ausreichenden Flächen für eine belebte Bodenzone zur Verfügung, sollten sogenannte technische Filter zugelassen und ein besonderes Augenmerk auf die Vorbehandlung, d. h. den Rückhalt von Feinschlamm und Öl, gelegt werden. Im Hinblick auf zunehmend auftretenden Starkregen müsse darüber hinaus vermehrt diskutiert werden, ob nicht zugunsten einer „first flush“-Behandlung auf die Behandlung der gesamten anfallenden Wassermenge verzichtet werden sollte. Dies wäre sowohl ökonomisch als auch im Hinblick auf den Umweltschutz die sinnvollere Herangehensweise.



Bisher kommt der Umbau der Entwässerungssysteme nur schleppend voran, was nach Einschätzung von Experten auch mit den extrem langen Lebenszyklen der Wasserinfrastruktur zusammenhängt: Allein in Österreich liegt der Investitionsbedarf für die Erneuerung und Sanierung der wasserbaulichen Infrastruktur laut aktueller BOKU-Studie bis 2021 bei 5,5 Milliarden Euro.