Die Stuttgarter Deklaration

20. April 2016
Der Gemeinsame Europatag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Österreichischen Gemeindebundes verabschiedet am 13. April 2016 in Stuttgart folgende Erklärung, betitelt als „Stuttgarter Deklaration“.

Die Städte und Gemeinden bekennen sich zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und schutzbedürftigen Fremden gemäß den Vorgaben der Genfer Konvention.

Der Europatag ruft die vor einem knappen Jahr verabschiedete Wiener Erklärung vom 28. April 2015 in Erinnerung, in der die Gemeinden europaweite Solidarität im Flüchtlingswesen ebenso gefordert hatten, wie auch, dass sich Bund und Länder zu ihrer Verantwortung zu bekennen haben.

Seitdem leisteten österreichische und deutsche Kommunen angesichts des massiven Zuzugs Schutzbedürftiger innerhalb kürzester Zeit Gewaltiges. Sie stellten Erstaufnahmezentren bereit, schufen Wohnraum und erarbeiteten Integrationsangebote. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden ist jedoch nicht unbegrenzt.

Mittlerweile gehen die Aufnahmekapazitäten zur Neige und die Gemeinden stellen sich der Herausforderung der Bewältigung des Alltags.

Da kein Ende des Zuzugs nach Europa absehbar ist, bekräftigt der Gemeinsame Europatag die Aussagen der Wiener Erklärung nach europäischer Solidarität in der Flüchtlingsfrage, betont jedoch auch, dass die Dublin-Bestimmungen geltendes EU-Recht sind:

Europäische Strategien

Verbindliche Quotenregelung



Die Verteilung der Flüchtlinge mit einem Asylanspruch muss europaweit nach festen Quoten erfolgen, und diese sind fair und solidarisch auf alle EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen. Um diese Verteilung durchsetzen zu können, müssen die anerkannten Flüchtlinge darauf verpflichtet werden, ihr Asylrecht alleine in diesem zugewiesenen Staat in Anspruch zu nehmen.

Schutz der Außengrenzen



Der Schutz der EU-Außengrenzen muss deutlich verbessert werden. Die Grenzschutzorganisation FRONTEX muss mehr Ressourcen erhalten und nötigenfalls auch durch Grenzschützer aus den EU-Staaten unterstützt werden. Von EU-Seite müssen verbindliche Vereinbarungen unter anderem mit der Türkei im Hinblick auf den Schutz der Grenzen geschlossen werden.

Große europäische Erstaufnahmeeinrichtungen („Hotspots“) entlang der Außengrenzen



Entlang der EU-Außengrenze sind eine größere Zahl europäischer Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen – europäisch organisiert und finanziert. Es ist sicherzustellen, dass eine menschenwürdige Unterbringung erfolgt, ordnungsgemäße Registrierungsverfahren durchgeführt und Asyl-Entscheidungen anhand europäischer Standards gefällt werden.

Europäisierung der Asylverfahren und Standards



Das Asylrecht muss überall in Europa anhand gleicher Anforderungen, Verfahren und Standards umgesetzt werden.

Nationale Strategien

Rahmenbedingungen schaffen



Sowohl in Österreich wie auch in Deutschland müssen Bund und Länder durch Bekenntnis zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe die Rahmenbedingungen zur Aufnahme und zur Integration von Schutzsuchenden schaffen. Das gilt insbesondere auch für die vollständige Übernahme der migrationsbedingten Mehrkosten.

Abschiebungen konsequent umsetzen



Rechtswirksam abgelehnte Personen müssen konsequent abgeschoben wer-den. Nur wenn jene, die keinen Schutzanspruch haben, auch tatsächlich wieder rückgeführt werden, können Aufnahme und Integration von tatsächlich Schutzbedürftigen langfristig sichergestellt werden.

Sichere Herkunftsländer



Auch die Staaten in Nordafrika (Tunesien, Algerien und Marokko) sollten als sichere Herkunftsländer definiert werden. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern sollten nicht auf die Kommunen verteilt werden, sondern bis zum Abschluss ihrer Verfahren in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben.

Zugang zu Bildung



Asylwerber mit hoher Aussicht auf Anerkennung und anerkannte Flüchtlinge sollten so rasch wie möglich Zugang zu Bildung, Ausbildung und Anerkennung von Qualifikationen erhalten. Nur so sind langfristige Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit sicher zu stellen.

Kommunale Strategien

Massenquartiere vermeidbar machen



Bei dezentraler Unterbringung von Schutzsuchenden in den Kommunen lässt sich die Unterbringung und erste Integration besser bewältigen. Großquartiere überfordern nicht nur die kommunale Infrastruktur, sondern auch die lokale Bevölkerung und sind tunlichst zu vermeiden.

Langfristige Integration ermöglichen



Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge sind vor Ort so schnell wie möglich zu integrieren. Dazu bedarf es geeigneten Wohnraums, ausreichend vorhandener Bildungs- und Ausbildungsangebote (vorschulische Bildung und Erziehung, Schulbildung, Spracherwerb, Berufsausbildung) sowie der Bereitschaft der angestammten Bevölkerung zur Mitarbeit.

Kontakte und Bekanntschaften zwischen Bevölkerung und Flüchtlingen sind essentiell für Verständnis und Akzeptanz. Diese Herkulesaufgabe ist aber nur leistbar, wenn Bund und Länder die jeweils entstehenden migrationsbedingten Mehrkosten vollständig übernehmen.

Fördern und Fordern zulassen



Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge sind in ihren Integrationsbemühungen zu unterstützen. Die Vermittlung europäischer Werte muss Bestandteil aller Bildungsangebote sein, die aktive Teilhabe von Mädchen und Frauen am gesellschaftlichen Leben ist besonders zu fördern. Dazu sind Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen.