Behindertengleichstellungsgesetz - Die rechtliche Grundlage ist keineswegs klar

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz von 2005 (BGStG) war ursprünglich nur auf den Bund zugeschnitten und auch eine Novelle hat keinerlei Rechtssicherheit für Gemeinden gebracht.

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz hat tatsächlich eine längere Geschichte. Es sollte von seinem Inkrafttreten an in einem Stufenplan eine sinnvolle Weiterentwicklung zur Verbesserung der Lage der Behinderten (Menschen mit besonderen Bedürfnissen) bei deren Zugang zu öffentlichen Gebäuden und Dienstleistungen, aber auch bei Wirtschaftstreibenden ermöglichen.



Freilich muss gesagt werden, dass die Gleichstellung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen eine wegen der Rechtszersplitterung komplizierte Sache ist. Behindertengleichstellung ist aufgrund der österreichischen Verfassungslage eine sogenannte Querschnittsmaterie. So müssen besondere Maßnahmen für Behinderte von unterschiedlichen Gesetzgebern umgesetzt werden, wobei diese aber nach Möglichkeit auch die jeweils geltende Rechtslage anderer Gebietskörperschaften mit zu berücksichtigen haben.



Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz von 2005 (BGStG) war ursprünglich nur auf den Bund zugeschnitten. Da die Organisationsgesetzgebung über die Gemeinden Landessache ist, hatte man auf einen Regelungstatbestand für Gemeinden oder Länder verzichtet. Dennoch war nicht von der Hand zu weisen, dass auch Länder oder Gemeinden Agenden der mittelbaren Bundesverwaltung vollziehen, und das BGStG sollte ja für die Verwaltung des Bundes gelten (§ 8 BGStG „Verpflichtung des Bundes“). Mit der Novelle BGBl. Nr. I 62/2010 wurde außerdem der Passus „einschließlich der von ihm (dem Bund) zu beaufsichtigenden Selbstverwaltung“ aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt wird nicht nur von Verfassungsjuristen in den Ländern die Ansicht vertreten, dass das BGStG in gewissen Bereichen auch die Gemeinden betrifft. Aber wie weit? Leider hat die zitierte Novelle keinerlei Rechtssicherheit für die Gemeinden gebracht. Die Möglichkeit von Etappenplänen bezieht sich ausdrücklich nur auf Bundesbauten und diese hätten außerdem schon 2010 bekannt gemacht werden sollen. Da war es für Länder und Gemeinden schon zu spät. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nur halbherzig, um nicht zu sagen „im Pfusch“ eine Erweiterung der Verpflichtung vorgenommen wurde und die übrigen Gebietskörperschaften gegenüber dem Bund schlechter behandelt worden sind.



Aber auch auch Länder und Gemeinden waren nicht untätig. Die Bundesländer haben weitestgehend EU-Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt, in denen auch der Zugang zum Arbeitsplatz möglichst barrierefrei gestaltet werden muss. Allerdings ist auch in den meisten Länder-Antidiskriminierungsgesetzen (ADG) ein Passus enthalten, der auch die Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit dieser Maßnahmen zu prüfen hat (z. B. § 27 Sbg. ADG, § 16 OÖ ADG, § 14 Tir ADG etc.). Aber auch das BGStG kennt diese Vermeidung von unverhältnismäßigen Belastungen (§ 6 BGStG).



Der heute bestehende Rechtsbestand zur Gleichstellung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist leider keineswegs klar. Aufgrund der historisch bedingten Kompetenztatbestände unserer Bundesverfassung kommt es vor, dass eine Maßnahme, die von den unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben in unterschiedlicher Weise geregelt wird, manchmal beiden Vorgaben, manchmal aber auch nur einer von beiden entspricht. Eine von Bundes- und Landesgesetzgebern zu wählende einvernehmliche Vorgangsweise und eine möglichst einheitliche Regelung wäre im Sinne der Rechtsklarheit sicher ein Vorteil gewesen.



Die Gemeinden haben in all ihrem Handeln im Rahmen der Gesetze vorzugehen. Da ist es aber auch legitim, eine gewisse Klarheit zu verlangen. Der Österreichische Gemeindebund wird sich für diese Rechtsklarheit einsetzen. Nicht nur im Interesse der Gemeinden, sondern vor allem der Bürgerinnen und Bürger mit besonderen Bedürfnissen.