Das Problem ist nicht Breitband, sondern die Infrastruktur.
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Weg vom Breitband, hin zur Infrastruktur

Während die 5G-Strategie des Bundes seit April auf dem Tisch liegt, hängt die Klärung einer übergreifenden, flächendeckenden Breitband-Strategie noch in den Wolken. Der einzig richtige Schritt wäre, das ganze Problem als „Infrastrukturproblem“ zu sehen und in die öffentliche Hand zu nehmen. Aber der Schritt zu diesem Paradigmenwechsel wäre wohl eher ein großer Sprung. Frei nach Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond: „Es wäre ein kleiner Schritt für die Regierung, aber ein großer Sprung für alle Österreicher und Österreicherinnen.“

In der KOMMUNAL-Ausgabe vom Juni 2018 sind wir zum Schluss gekommen, dass in Österreich beim Breitbandausbau der Schwanz mit dem Hund wedelt. Dabei ging es primär darum, dass der Fokus auf den Ausbau des 5G-Netzes statt auf den eines echten Glasfaserausbaus zur flächendeckenden Breitbandanbindung gelegt wird. Mit dieser Meinung stehen wir nicht allein da, sogar die Telekombranche – also die 5G-Betreiber – bestätigen, dass Glasfaser als Grundlage für das 5G-Netz ausgebaut werden muss. Allerdings können sie „dafür keinerlei Kosten übernehmen“, wie immer wieder bei diversen Tagungen und Vorträgen zu hören ist. Und wenn sich die Handyanbieter in Kosten stürzen, dann müsse vorher „das Interesse der Kunden und Kundinnen“ gegeben sein. Und das sei vor allem in den Randgebieten oder den sogenannten „Ungunstlagen“ nicht gegeben.  

Glasfaser als Voraussetzung für 5G

Dieser Standpunkt ist mehr oder weniger allgemein akzeptiert. Viele Experten sind beispielsweise der festen Überzeugung, dass die einzig möglich Lösung ist, Glasfaser bis in jedes Haus zu legen. Und zwar so, dass das Glasfasernetz als „Infrastruktur der öffentlichen Hand“ wie das Kanal- oder das Straßennetz gesehen wird.

Niederösterreich hat hier in der Vergangenheit vorbildlich agiert. Was einerseits auch daran liegen kann, dass einerseits das Land als flächengrößtes Bundesland in der Vergangenheit die größten Probleme hatte und andererseits daran, dass schon Alt-Landeshauptmann Erwin Pröll von den Bürgermeistern immer und immer wieder das Problem der Breitbandanbindung vorgetragen wurde. Das Land habe dann darauf reagiert und die Breitbandkoordination 2013 auf professionelle Füße gestellt. Tirol und andere Bundesländer haben zu selben Zeit ähnlich reagiert.

Das Problem ist nicht Breitband, sondern die Infrastruktur

Glasfaserausbau müsse, so die Experten übereinstimmend, den gleichen Stellenwert wie die Anbindung der Wohnungen und Häuser ans Stromnetz, der vor mehr als 100 Jahren begonnen und eine gefühlte Ewigkeit gedauert hat. Und kämpft auch mit den gleichen (Gegen)Argumenten wie damals: „Wozu brauch‘ ma des?“

„Breitband ist ja nichts anderes als schnelles Internet. Das bekommt man heute überwiegend über Telefonnetze, egal ob fest oder mobil. Telefonnetze wurden aber nie für Breitband gemacht, sondern für die Übertragung von Sprache – was die vergangenen 80 Jahre hervorragend funktioniert hat. Breitband ist aber abhängig von der Distanz zum Knotenpunkt. Je weiter man davon weg ist, desto langsamer wird alles. Und je mehr Nutzer an einem Knoten oder Basisstation hängen, desto langsamer wird es – also ist es auch ein Problem der Ballungsräume.“

Daraus resultiert als einzige Möglichkeit, das Glasfaserkabel bis zum Haus zu bringen. Aber damit wird es zu einem Infrastrukturprojekt. Ohne diese Lösung ist alles andere nur eine Überbrückung. Und wenn man flächendeckend denkt, kann der Ausbau nur über die öffentliche Hand funktionieren.

Noch ein zweites Argument wird immer wieder angeführt: „Jede Investition, die die Telekom-Branche tätigt, rechnet sie über einen gewissen Zeitraum – der berühmte ‚Return on Investment‘ (RoI).“ In diesem Zeitraum – der üblicherweise zwischen fünf bis sieben Jahren liegt – muss also die Investition wieder eingespielt worden sein. „Für ein Infrastrukturprojekt vor allem im ländlichen Raum, wo die Zahl der Kunden überschaubar ist, ein Ding der Unmöglichkeit.

Man müsse also ein Geschäftsmodell finden, bei dem wesentlich längere Laufzeiten eingerechnet sind. Das „Modell Niederösterreich“, das derzeit in einer Pilotphase getestet wird, ist beispielsweise so ein Modell.

Trennung der drei Komponenten des Kommunikationsnetzes

In Niederösterreich war der erste Schritt, dass die Infrastruktur, den Betrieb und die Dienste getrennt wurden. Einer der Gründe war, dass jede der drei Komponenten unterschiedliche Investitionszeiten hat. Die Infrastruktur rechnet sich über mehr als 20 Jahre, und der Betrieb der Netze, also die Hardware mit ihren blinkenden Lämpchen, rechnet mit sieben Jahren. Die Diensteanbieter haben den kürzesten Return on Investment, da sie ja auch die wenigsten Investitionen haben.

Niederösterreich hat sich – als öffentlicher Bereich – auch dazu entschlossen, das zur Verfügung stehende Geld nicht für Förderungen zu verwenden, sondern zu investieren, wenn auch vorerst nur dort, wo die Telekombranche nicht die notwendige Breitbandversorgung gewährleistet. Mit der Definition als Infrastrukturprojekt hat Niederösterreich es geschafft, den Breitbandausbau genau in jene Ecke zu bringen, in die er gehört. Die Definition von Breitbandzielen mit bestimmten Bandbreiten (wie in der 5G-Strategie der Bundesregierung festgeschrieben) wird das auch von Experten für „eher problematisch gehalten“, weil es am Problem vorbei geht.

Wie es zu der Schieflage kam

Die Zugriffsraten auf das Internet werden immer höher und die Menge der Daten immer größer. Diese Anforderungen kann das Telefonnetz nicht mehr gewährleisten. Auch das Mobilnetz wurde ursprünglich nur für Telefonie gebaut, es ist aber etwas leichter aufzurüsten und dadurch auch günstiger. Es kann auch größere Bereich abdecken. Daraus entstand die Forderung, Breitband schnell auszubauen. So kam es zu Situationen, wo in Siedlungen 80 Prozent der Leute auf Mobilfunk angewiesen sind, aber das im Grunde nur deshalb, weil das Festnetz die Anforderungen nicht erfüllen konnte.

Darauf haben wieder die Mobilfunker reagiert, die die im Vergleich zur Telefonie wesentlich höheren Einnahmen durch Breitband gesehen haben. Und ab 3G besteht die Möglichkeit der Datenübertragung. 4G macht eine weit größere Datenmenge möglich.

5G ist ein Versprechen, da damit noch mehr und noch schneller Daten bis hin zu Echtzeitanwendungen und Internet of Things übertragen werden können. Die Problematik mit der Datenübertragung im Mobilfunknetz bleibt trotzdem gleich: Mit der Entfernung zur Basisstation nimmt die Leistung ab. Und es ist wieder eine geteilte Bandbreite.

Was bei 5G dazu kommt, ist, dass die Basisstation an ein Glasfasernetz angebunden sein muss. Allein aus diesem Grund braucht es also ein engmaschiges Glasfasernetz, nur so kann 5G richtig funktionieren und die Versprechungen halten. 

Und noch ein Infrastrukturproblem

Die Grundproblematik trifft auch auf eine mögliche Breitband-Versorgung durch Beleuchtungssysteme zu, die entlang der Straßen jeden Teil einer Gemeinde erreichen. Etliche Hersteller bieten den Gemeinden Systeme für die Straßenbeleuchtung an, die eine Breitbandversorgung gewährleisten können, indem (auch nachträglich) 5G-Knoten auf Leuchten installiert werden. Vom Gedanken her bestechend, da jede Beleuchtungsanlage ständig eine Stromversorgung braucht. Der Haken bei der Sache: Jede der Leuchten bräuchte im Grunde einen Glasfaseranschluss, denn sonst wird 5G wieder nicht richtig funktionieren. Aber wenn es funktioniert, könnte das eine Interessante Lösung sein.

Aber noch ein Gedanke dazu: Wenn schon alle Leuchtkörper entlang der Straßen mit Glasfaser ausgerüstet werden, wäre es eigentlich nicht besonders klug, nicht auch gleich die Häuser an Glasfaser anzubinden.

Auch hier muss 5G also nur als Ergänzung zum Glasfaserausbau gesehen werden. Erst wenn es die Glasfasernetze verlegt sind, wird 5G richtig funktionieren.

Vorrang für Ballungsräume statt ländlichem Raum?

In der Diskussion kommt todsicher immer irgendwann das Argument, dass die Ballungszentren bevorzugt ausgebaut werden. Im städtischen Bereich ist zwar die Bebauung dichter, aber die Kosten pro Meter sind wesentlich höher. Am Land kann eine Künette um 60 oder 70 Euro pro Meter gebaut werden, in der Stadt muss man wahrscheinlich das Doppelte oder eher das Dreifache rechnen.

Es geht aber nicht nur um die Ausbaukosten, sondern auch um die Nutzung. Sind keine Nutzer in den Netzen, generiert kein Unternehmen Einkommen. Im städtischen Bereich gibt es eine etwas bessere Versorgung und deutlich mehr Nutzer – hier könnte daher der Bedarf an Glasfaser hinterfragt werden. Es gäbe ja genügend 5G-Diensteanbieter, die hier einspringen können. Und wenn daher die Nachfrage nicht gegeben ist, steigen die Kosten.

Im ländlichen Bereich ist es etwas anders: Das steigen die Nachfragekosten, weil die Versorgung sehr schlecht ist – was wiederum bedeutet, dass ich eine bessere Nachfrage und damit eine Finanzierbarkeit habe. 

Und wie ist das mit den Diensteanbietern?

Das Glasfasernetz wird also von der öffentlichen Hand (dem Land) ausgebaut und in Folge wie bei der Kanalisation auch gewartet. Betrieben wird das Netz mit allen Anwendungen, Sicherungen, Serviceleistungen – den vielgerühmten blinkenden Lämpchen – von einem privaten Unternehmen, die dafür eine ganz normale Netzgebühr einheben.

Die Diensteanbieter hingegen, die den Zugang zu Internet, zu Amazon oder Google, zu Spiele oder Applikationen für das Internet of Things bereitstellen, können das Netz zu gleichen Bedingungen nutzen.

Aber haben bei der zersplitterten Netz-Landschaft in Österreich die Diensteanbieter die Möglichkeit, alle Kunden gleichermaßen anzusprechen? 

Ein Resümee lässt für den ländlichen Raum hoffen

Man muss festhalten, dass vermutlich die 5G Euphorie deshalb so übermächtig geworden ist, weil das Problem so groß geworden ist. Als Internet-Gesellschaft wünschen wir uns geradezu, dass 5G die Rettung ist. Konsequent weitergedacht, führt uns das aber zur Tatsache, dass 5G seine Versprechen technisch nur erfüllen kann, wenn die Glasfasernetze ausgebaut sind.

Zudem ist Glasfaser nach Ansicht der Experten das „Ende der Fahnenstange“, es gibt in absehbarer Zukunft nichts schnelleres und besseres. Hingegen ist auch 5G nur eine nächste Stufe nach 4G – was bei der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung unserer Gesellschaft erwarten lässt, dass irgendwo bereits 6G in den Startlöchern steckt. Auch wenn diese Startlöcher nur in den Gehirnen von Wissenschaftlern sind.

„Glasfaser als Ende der Fahnenstange“ ist übrigens auch einer der Gründe, warum das Land Niederösterreich das Netz zu 100 Prozent im Landeseigentum haben will. So ein Zugang scheint auch ganz wichtig. Wenn ich ein Glasfasernetz baue und das nicht unter der Kontrolle der öffentlichen Hand halten, wäre das in etwa so, als würde ich Wasser privatisieren!

Wenn man all diese Punkte in Betracht zieht, bräuchte man eigentlich nicht mehr Gesellschaften wie die niederösterreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft nöGIG, sondern schlicht und ergreifend eine „öGIG“, eine „Österreich Glasfaserinfrastrukturgesellschaft“. Das einzige, was dazu fehlt, ist offenbar ein Auftrag!