Georg Karasek

"Gemeinden werden professionelle Hilfe brauchen"

Georg Karasek, Experte für Baurecht, erwartet Vorteile für die Gemeinden durch grenzüberschreitende Ausschreibungen und Vergaben und erwartet ein weiteres Fortschreiten der elektronischen Vergabe.

Mit der Novelle zum Vergaberecht hat sich – jedenfalls aus Sicht des Gemeindebundes – die Vernunft durchgesetzt. Dennoch herrscht eine gewisse Skepsis, weil immer noch viele vor allem kleinere Gemeinden mit dem Gesetz überfordert sind. Und man befürchtet, dass es auch für viele KMU zu kompliziert ist. Wie sehen Sie das?

Es ist eine Zeiterscheinung, dass alles komplexer und komplizierter wird. Da man das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen kann, müssen jene kleinen Gemeinden und KMUs, die durch das Vergaberecht überfordert sind, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Eine große Frage betrifft grenzüberschreitende Ausschreibungen und Vergaben. Sehen Sie hier Nachteile für Gemeinden bzw. die österreichische Wirtschaft?

Grenzüberschreitende Ausschreibungen haben für Gemeinden den Vorteil, dass sie mehr Wettbewerb unter den Anbietern schaffen und ihnen dadurch günstigere Beschaffungsmöglichkeiten bieten. Der österreichischen Wirtschaft bieten grenzüberschreitende Ausschreibungen größere Exportchancen. Wir sollten überhaupt den gemeinsamen europäischen Markt als Chance für die österreichische Wirtschaft sehen und nicht immer Angst vor mehr Wettbewerb haben. Mehr Wettbewerb zwingt unsere Unternehmen zu Innovation. Nur wer besser als die Mitbewerber ist wird auf Dauer bestehen. Innovation kommt letztlich auch den Gemeinden als Endabnehmern zugute.

Was halten Sie von der „Faustregel des Justizministeriums (zitiert nach dem Kommentar von Walter Leiss in KOMMUNAL 5/2018): „Je höher der Wert, je näher der Leistungs- und Nutzungsort an einer Staatsgrenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand, desto eher muss von einem grenzüberschreitenden Interesse ausgegangen und ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden.“ Wie wird das in der Praxis handzuhaben sein?

Wie schon bisher kommt es auf den Einzelfall an. Die Faustregel ist in Ordnung. Auch hier gilt das mehr Wettbewerb unter den Anbietern den Gemeinden günstigere Beschaffungsmöglichkeiten bieten.

Die nächste Novelle steht auch schon ins Haus, wenn nämlich die elektronische Vergabe von Aufträgen kommt. Schießt man da vor allem bei den Unterschwellenvergaben nicht übers Ziel hinaus?

Das Fortschreiten der Elektronik ist nicht zu stoppen. Wer stehen bleibt wird überbleiben. Offen sein für Neues hat noch niemand geschadet.

Bei der Frage nach dem Zusammenrechnen von mehreren Dienstleistungsaufträgen (müssen eben nicht zusammengerechnet werden und daher auch nicht EU-weit ausgeschrieben, falls sie den Schwellenwert von 235.000 Euro überschreiten) wurde den Wünschen des Gemeindebundes entsprochen. Was genau versteht denn das Vergaberecht unter dem Begriff „Dienstleistung“, welche Tätigkeiten fallen darunter?

Der Begriff des „Dienstleistungsauftrags“ wird im BVergG im Ausschlussprinzip definiert: Dienstleistungsaufträge sind weder Bau- noch Lieferaufträge. Der Begriff „Dienstleistungsauftrag“ ist gegenüber dem Bau- und Lieferauftragsbegriff subsidiär Er ist lediglich ein Auffangtatbestand: Jede entgeltliche Leistung, die weder Bau- noch Lieferauftrag ist, ist demnach als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren. Dienstleistungen sind z. B. Beratungsleistungen, Planungsleistungen, IT-Dienstleistungen, Reinigung.

Die letzte Frage betrifft die Schwellenwerte. Leider – aus Gemeindesicht jedenfalls – wurden die Schwellenwerte nicht per Gesetz mit 100.000 Euro fixiert, sondern wieder verlängert. Sehen Sie eine Chance, diesen höheren Schwellenwert künftig gesetzlich zu fixieren?

Dabei kommt es auf den Änderungswillen unserer Regierung und auf die faktische Akzeptanz durch Brüssel an. Ich bin aber zuversichtlich.

Zur Person

Georg Karasek

Dr. Georg Karasek ist Partner der Kanzlei „Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte“. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien,  Mitglied der Gesellschaft für Baurecht und Schiedsrichter bei der Wirtschaftskammer Österreich und dem Bauschiedsgericht des österreichischen Normungsinstituts.