Gasse in einer Altstadt | Denkmalschutz
Moderne Normen und die Gegebenheiten in vielen Altstädten passen oft nur schwer zueinander – Renovierungen oder Sanierungen sind hier praktisch immer Einzelfallentscheidungen.
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"Beim Denkmalschutz ist Dialog enorm wichtig"

Bernd Euler-Rolle, Fachdirektor beim Bundesdenkmalamt, stellt klar, dass Denkmalschutz nicht die Entwicklung eines Ortes hemmen soll.

Die Gebundenheit der Gemeinden an Normen ist einer der Punkte, an der sich die Nutzung eines denkmalgeschützten Gebäudes entscheidet. Derzeit findet hier aber eine interessante Entwicklung statt, wie Bernd Euler-Rolle im Interview erzählt.

„In der Welt der Normen und auch der OIB-Richtlinien zieht mehr und mehr die Erkenntnis ein, dass es eine Art Ausgleich zwischen den Anforderungen und dem, was der Bestand ermöglicht, geben muss.“

Denkmalschutz und Ortsbild: Änderungen bei Normen und Richtlinien in Aussicht

So sind für die OIB-Richtlinien Entwicklungen im Gange, die von einer Neufassung mit besonderer Berücksichtigung der Bestandsbauten sprechen. Und auch bei Normen gibt es seit 2018 ein Agreement, wonach bei jenen Bauten, wo es voraussichtlich Berührungspunkte mit dem Denkmalschutz geben wird, jeweils Präambeln eingefügt werden, wonach das Normenziel auch auf andere Weise erreicht werden kann. „Hier kann es künftig auch andere Zugänge geben – wie beispielsweise die ‚Standards der Baudenkmalpflege‘ des Bundesdenkmalamts.“

Euler-Rolle betont zwar, dass die Normen dadurch nicht außer Kraft gesetzt werden, hofft aber auf eine leichtere Gesprächsbasis mit den Handlungsträgern. Beispielsweise hat das „Dialogforum Bau“ diese Entwicklung bereits aufgegriffen.

In Hallstatt hemmt der Denkmalschutz die Entwicklung

Immer wieder die Frage nach den Grenzen des Möglichen. Das Beispiel Hallstatt zeigt auf, dass Denkmalschutz für die Entwicklung einer Gemeinde auch als Hemmschuh gesehen wird.

Auch wenn Hallstatt, wie Euler-Rolle präzisiert, nicht nur wegen des Status als Weltkulturerbe ein Problem hat, sondern auch aufgrund des Naturschutzes oder der Topografie, stellt sich die Sache dennoch anders dar. „Wir würden Ja sagen zu einer Weiterentwicklung eines historisch gewachsenen Objekts oder eines Ensembles, einem Weiterschreiben des Vermächtnisses. Nicht aber zu einem Zerstören und neu Aufbauen.“

Er vergleicht das Problem mit den Jahresringen eines Baums. Das Wesen ist, so Euler-Rolle, auf der Substanz aufzubauen ohne zu verlieren – ein Zugang, der auch in Hallstatt bei einzelnen Projekten geglückt ist.

Zu alternativen Lösungen für alte Gebäude kann man auch für Themen wie Brandschutz – generell das Erreichen eines modernen Sicherheitsniveaus – im Gebäude, des barrierefreien Zugangs zum Objekt oder der Nutzung einzelner Räume oder Wohnungen innerhalb des Gebäudes gelangen.

Von Fall zu Fall entscheiden und: Vergleiche sind nicht zulässig

Angesprochen auf Fälle, wo schmale mittelalterliche Straßen zu eng für Gehsteige sind (auch dafür gäbe es eine Norm), kommt Euler-Rolle wieder darauf zu sprechen, dass Denkmalschutz eben eine Materie ist, die stark auf Einzelfallentscheidungen basiert. Wenn die Straße zu eng ist, könnte man eine Begegnungszone andenken. „Aber man muss immer bedenken, dass eine Lösung nur bedingt auf andere Gegebenheiten anwendbar ist.“ Was an einem Ort geht, muss nicht woanders funktionieren, weil es wie bei den Juristen Einzelfallentscheidungen sind.

Gerade das macht aber eine gelebte Errungenschaft fraglich: Gerade die Gemeinden lernen viel voneinander. Das Schlagwort vom Rad, das nicht jeder neu erfinden muss, gilt bei der Sanierung oder Renovierung unter Denkmalschutzvorgaben offenbar nicht.

Warum nicht überall ein Haas-Haus hinstellen?

Wie ist es aber mit Objekten, die im Grunde Ruinen sind? Wieso kann man nicht wie in Wien am Stephansplatz auch in anderen Gemeinden mitten im alten Ensemble ein „Haas-Haus“ hinstellen?

Euler-Rolle: „Zwei Antworten: Wenn ein Objekt der Vergangenheit einmal seine Bedeutung hat, es für etwas steht – aus unterschiedlichsten Gründen (Kriterien dazu auf der Website des Bundesdenkmalamtes) –, dann steht das im Vordergrund und nicht der Vergleich mit etwas vermeintlich besseren wie beispielsweise einem architektonischen Entwurf. Und als ,das alte‘  Haas-Haus in den 50er-Jahren abgebrochen wurde, war die Architektur der Nachkriegsmoderne noch nicht im Fokus des Denkmalschutzes – heute wäre das möglichweise anders.“

Fragen der Ortsbildgestaltung

Was soll jetzt eine Gemeinde machen, wenn sie ein altes Gebäude im Ortszentrum kaufen will, weil sie damit einen Beitrag zur Ortsbildgestaltung oder Ortskernbelebung leisten will? Wäre so ein Projekt, das von der Finanzierung und Umsetzung her eher kurzfristig über die Bühne gehen müsste, zu beschleunigen?

„Eine Beschleunigung wäre möglich. Jedenfalls liegen die Fälle, wo das schwer ist, im einstelligen Prozentbereich. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass dort dann die Aufmerksamkeit hinfällt. Aber wenn der Dialog offen ist und auch alternative Lösungen nicht von vornherein abgelehnt werden, lassen sich fast überall Lösungen finden.“

Wirklich schwierig ist es aber beispielsweise auf der Ebene der Pfarren, die ja auch als Gremien handeln, ähnlich wie ein Gemeinderat. Wenn sich so ein Gremium schon untereinander – oft schwer genug – auf einen Weg für ein Projekt eingeschworen hat und dann kommt der Denkmalschutz und muss bremsen, steht oft das Projekt an der Kippe. „Auch deswegen“, so Euler-Rolle, „ist der frühe Kontakt oder besser der frühe Austausch so wichtig.“

Bernd Euler-Rolle
Bernd Euler-Rolle: "Der frühe Kontakt oder besser der frühe Austausch ist wichtig." Foto: LORE NITSCHE

Bauhistorische Untersuchung ist nicht in jedem Fall nötig

Das bedeutet aber nicht, dass jede Gemeinde für jedes Objekt eine bauhistorische Untersuchung (auch dafür gibt es auf bda.gv.at eine Broschüre zum Nachlesen, wobei man hier aber, so Euler-Rolle, definitiv im „High-End-Bereich“ ist) durchführen oder in Auftrag geben muss. Sinnvoll ist aber der Kontakt zu einer Landesstelle für eine gemeinsame Begutachtung als ein erster Schritt, um Möglichkeiten auszuloten. 

Planungskosten sparen Baukosten – und es wird auch gefördert

Erstbesprechungen unter Beteiligung des Denkmalamtes sind übrigens kostenlos. Ein Bürgermeister beispielsweise kann sich an die jeweils zuständige Landesabteilung (Links auf bda.gv.at) wenden und einen Termin vereinbaren. Üblicherweise werden dabei aber auch Planer und Architekten dabei sein, womit sich die Kosten- und Zeitspirale zu drehen beginnt, so unser Einwand.

Euler-Rolle: „Da reden wir von Prozessen, die sich immer weiter verdichten. Nach dem ersten Termin wird sich dann im zweiten oder dritten Schritt möglicherweise die Notwendigkeit einer Analyse ergeben. Im Übrigen gilt ja, je besser ich ein Objekt kenne, die statischen Eigenschaften und so weiter, desto weniger Überraschungen warten.“

Das Bundesdenkmalamt fördert speziell diese bauhistorischen Untersuchungen aus eigenen Mitteln. „Unsere Budgetmittel sollen schließlich in beträchtlichem Maß auch für Expertise sorgen“, so Euler-Rolle, „was besonders für bauhistorische Untersuchungen, manchmal aber auch für restoratorische Voruntersuchungen gilt. Wer weiß schon, ob unter der ‚17. Schicht’ Tünche an der Wand sich eine gotische Wandmalerei befindet.“

Im Grunde bleibt für Gemeinden beim Sanieren und Renovieren von Baubestand in (historischen) Ortszentren eines wichtig: Den Denkmalschutz so früh wie möglich an Bord holen. Diese Vorgangsweise kann viel Geld sparen. Und dazu lohnt sich ein Besuch auf der neuen Website des Bundesdenkmalamtes.

Das Thema Denkmalschutz betrifft „nur“ 1,37 Prozent des Baubestands in Österreich. In absoluten Zahlen klingt das anders, nach den Zahlen der Statistik Austria gab es 2011 rund 2,2 Millionen Gebäude – 1,37 Prozent wären dann rund 30.000 Gebäude.

Diskussionen über Ausnahmeregelungen für Denkmale in Baunormen und die Standards der Baudenkmalpflege sind hier

goo.gl/iAxy2j und hier goo.gl/pFmQ7g nachzulesen.