Symbolbild Energiewende
27 Terawattstunden (TWh) mehr als jetzt sollen bis 2030 aus erneuerbaren Energien unter Beachtung strenger ökologischer Kriterien erzeugt werden.
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Energiewende: Was kommt auf die Gemeinden zu?

Die Bundesregierung legt bei der Energiewende einen Zahn zu. Lange ist daran getüftelt worden und mittlerweile gibt es ein Gesetzespaket für den Ausbau von erneuerbaren Energien, das „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz“ oder kurz EAG genannt wird. Das Bestreben dahinter ist, Österreichs Strombedarf bis zum Jahr 2030 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. In dem Gesetz wird dazu auch die Förderung von Ökostrom neu geregelt. 

Das EAG wird vom Markt bereits sehnlichst erwartet und hätte eigentlich schon mit 1. Jänner in Kraft treten sollen. Der Unmut der Ökostrom-Branche über die Verzögerung war und ist deshalb groß. Doch so fix, wie das Gesetzespaket bei seiner Präsentation im März dargestellt wurde, ist es noch immer nicht. Grün und Türkis haben zwar eine Regierungsvorlage beschlossen, die die Vorstellungen der beiden Parteien widerspiegelt, doch sind für diese Vorlage mehrere Verfassungsbestimmungen zu beschließen. Das heißt, man braucht eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und für eine solche müssen sich die Regierungsparteien jetzt eine weitere große Partei suchen. Die Opposition war allerdings bisher in den Gesetzesentwurf nicht eingebunden. Nun wird also verhandelt, wie man zusammenkommt. Der Plan der Regierung ist, dass das EAG noch vor der Sommerpause beschlossen wird – ob sich bis dahin eine Einigung ergibt oder nicht, ist allerdings offen.

Die titelgebende Frage, was mit dem EAG letztlich auf die Gemeinden zukommt, lässt sich daher (noch) nicht mit letzter Gewissheit beantworten. Man darf aber mit relativer Sicherheit davon ausgehen, dass zumindest die Kernelemente des EAG auch nach den Verhandlungen erhalten bleiben, und die sind für sich allein genommen auch schon spannend genug, um sie genauer zu betrachten.

Weg vom Einspeisetarif hin zur Marktprämie

Da wäre einmal das Fördersystem, dem nicht weniger als ein fundamentaler Paradigmenwechsel bevorsteht. In der Art der Förderung steigt man nämlich um - weg vom Einspeisetarif hin zur Marktprämie. Diese wird künftig als Zuschuss auf die vermarktete Kilowattstunde gewährt werden. Auch wenn die Parlamentarier noch nichts beschlossen haben, halten Experten diesen Umstieg für gesetzt, denn die Vorgabe zur Marktprämienförderung findet sich im Beihilfe­recht ebenso wie in der Erneuerbare-­Energien-Richtlinie (RED II) der EU wieder.

Investitionszuschüsse werden weiterhin gewährt

Neben den Marktprämien gibt es als zweites Förderinstrument auch in Zukunft weiterhin Investitionszuschüsse, die vor allem für die Neuerrichtung und Erweiterung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie von Stromspeichern gewährt werden.

Marktprämien werden im Gegensatz dazu als Zuschuss zum selbst vermarkteten und ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Strom gewährt und gleichen die Differenz zwischen den Produktionskosten von erneuerbarem Strom und dem durchschnittlichen Strommarktpreis aus. Das ist die kurze Erklärung der Marktprämie, die allerdings sehr trocken und technisch klingt. Was soll man sich darunter vorstellen und wie sieht das in der Praxis aus? 

Unterschied zwischen Einspeisetarif und Marktprämie

Den Unterschied zwischen dem bisherigen Einspeisetarif und der zukünftigen Marktprämie erklärt die Leiterin des Centers für Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise der Österreichischen Energieagentur, Karina Knaus: „Bei den Einspeisetarifen bekommt ein Anlagenbetreiber eine fixe Vergütung. Für jede Kilowattstunde Strom bekommt er x Cent - komme, was wolle, egal was am Markt passiert.“ 

Nun gibt es grundsätzlich einen Großhandelsmarkt für Strom, mit Erzeugern, Kraftwerken, Händlern und Lieferanten, und auf diesem Großhandelsmarkt gibt es auch einen Preis, den sogenannten Marktpreis. 

Karina Knaus
Karina Knaus ist Leiterin des Centers für Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise der Österreichischen Energieagentur. Die Expertin erklärt, worin der Unterschied zwischen den alten Einspeisetarifen und der neu einzuführenden Marktprämie besteht. 

„Die Idee der Marktprämie ist es nun, die Anlagen der erneuerbaren Energieträger, die im Fördersystem sind, an den Markt heranzuführen“, erklärt Knaus anhand eines Beispiels. „Bislang war es so, dass man - Hausnummer - zehn Cent pro Kilowattstunde Strom bekommen hat. Mit dem Marktprämiensystem bekommt man nun nicht mehr zehn Cent, sondern die Differenz von diesen zehn Cent minus dem Durchschnittsmarktpreis. Angenommen dieser Durchschnittsmarktpreis liegt bei fünf Cent, dann bekommt man im zukünftigen System fünf Cent als die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem alten Einspeisetarif. Die fünf Cent bekommt man also vom Markt, den Rest erhält man aus dem Fördersystem.“ So weit, so gut.

Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man sich am Markt schlägt. „Wenn man den Markt trifft und es schafft, um fünf Cent zu verkaufen, dann ist das neue System so wie das alte. In diesem Fall besteht letztlich kein Unterschied zu früher. Wenn man es aber schafft, seinen Strom um sechs Cent zu verkaufen, etwa weil man ihn immer nur dann verkauft, wenn es teuer ist, dann bekommt man mehr. Schlicht weil man besser war als der durchschnittliche Marktpreis.“ Genau darin besteht der Anreiz des neuen Systems. „Dass man in diesem Marktprämiensystem als Betreiber darauf achtet, wie hoch der Marktpreis ist, was am Markt passiert und wie man die Anlage auch ein wenig auf diesen Marktpreis hin steuert. Man wird ein bisschen mehr an den Markt herangeführt. Beim Einspeisetarif hingegen war es eigentlich völlig egal, was im restlichen Stromsystem passiert.“

Die neuen Chancen der Anlagenbetreiber bestehen laut Knaus darin, gut zu verkaufen sowie passend einzuspeisen und zu liefern. Sie gibt aber auch zu bedenken: „Es geht aber auch umgekehrt – wenn ich billiger verkaufe als der durchschnittliche Marktpreis, dann hab ich auch ein bisschen weniger.“

Beide Förderarten, sowohl Marktprämien als auch Investitionszuschüsse, sind für alle erneuerbaren Energietechnologien vorgesehen. Die Volumina pro Technologie werden zum Teil erheblich erhöht werden. Der Gesamtdeckel wird dabei bei einer Milliarde Euro im Dreijahresschnitt eingezogen. 

Netzinfrastrukturplan als neues Planungsinstrument

Neben den beiden Förderarten gibt es noch eine Reihe von Begleitmaßnahmen. Ein großes Thema ist zum Beispiel der österreichische Netzinfrastrukturplan als neues, übergreifendes Planungsinstrument. Bei diesen Systeminnovationen geht es nicht nur darum, dass das Fördersystem neu aufgestellt und viel Geld dafür bereitgestellt wird, sondern auch im Marktdesign die nötigen Weichenstellungen vorzunehmen. 

Ein weiteres Novum, das mit dem EAG eingeführt wird, sind die Energiegemeinschaften. Für Gemeinden seien diese besonders interessant, erklärt Benedikt Ennser, Leiter der Energie-Recht­sabteilung im Klimaschutzministerium, weil „die Ge­mein­den als Teilnehmer explizit adressiert sind. Die Energiegemeinschaft ist eigentlich ein Vehikel, bei dem man sich zusammenschließt, um eine Erzeugungsanlage gemeinsam zu betreiben und zu nutzen.“

Schließen sich beispielsweise ein paar Verbraucher zusammen und betreiben gemeinsam eine Photovoltaikanlage, so bekommen sie, ganz vereinfacht gesagt, anteilsmäßig den erzeugten Strom gutgeschrieben, und reduzieren damit ihren Bedarf, Strom von konventionellen Lieferanten aus dem Netz zu beziehen.

Gemeinde kann an einer Energiegemeinschaften teilnehmen

Auch eine Gemeinde kann Teilnehmerin einer solchen Gemeinschaft sein. Als Verbraucherin im herkömmlichen Sinn, aber auch, indem sie Flächen miteinbringt, auf denen eine PV-Anlage montiert werden kann – wie etwa einen Bauhof mit einem großen Dach oder Ähnliches. In weiterer Folge soll sie den Strom auch anderen zur Verfügung stellen können - kleinen Gewerbebetrieben, KMU oder auch natürlichen Personen.

Ennser sieht besonders im Bezug darauf für Gemeinden ein neues Betätigungsfeld. Schon jetzt könne man in den Gemeindevertretungen die Frage diskutieren, ob man in so eine Gemeinschaft mit anderen hinein möchte oder ob die Gemeinde zumindest verfügbare Flächen bzw. Gemeindeeinrichtungen zur Verfügung stellen will. 

Keine Trauer um das Ökostromgesetz

Gibt es eigentlich einen Grund, dem alten Ökostromgesetz, das nun abgelöst werden soll, nachzutrauern? Nein. Das Gesetz hat seinen Zweck zu seiner Zeit erfüllt, mit den Einspeisetarifen und den Anfängen der Kraftwerksparks basierend auf den verschiedenen Technologien wie in erster Linie Wind, Wasser und Photovoltaik, aber auch Biomasse und Biogas. Zudem gibt es Elemente, die man konserviert hat. Der Ausbringungsmodus, mit den beiden Komponenten Ökostromförderbeitrag und Ökostrompauschale beispielsweise wird im Wesentlichen erhalten bleiben und sich auch im neuen EAG wiederfinden. 

Darüber hinaus gilt für das Ökostromgesetz zwar, dass keine neuen Verträge mehr vergeben werden, sobald das neue EAG in Kraft tritt. Es gibt aber noch eine Reihe bestehender Verträge. Wenn man heuer im ersten Halbjahr noch einen Vertrag für einen Einspeisetarif nach herkömmlicher Bauart abschließt, der 15 Jahre läuft, dann hat man diesen auch für die nächsten 15 Jahre und bekommt auch noch über die volle Zeit den Tarif ausbezahlt. Das bleibt selbstverständlich. 

Ökostrom-Förderung: Österreich ist spät dran

Zum bevorstehenden EAG sind zahlreiche Stellungnahmen von verschiedensten Seiten und Interessensgruppen veröffentlicht worden. Der Tenor in allen lautet jedoch, dass man froh sei, wenn das Gesetz kommt. Es ist die Grundlage, die jeder braucht. Und die auf irgendeine Art und Weise kommen muss. In den meisten EU-Mitgliedsstaaten sind derartige Maßnahmen eigentlich schon umgesetzt. Österreich ist relativ spät dran mit seiner Ökostrom-Förderung. „Eine Fortführung der Einspeisetarife wäre gar nicht möglich gewesen“, bestätigt auch Karina Knaus.

„Sinn und Zweck der Energie-­Gemeinschaften ist auch, Akzeptanz für die Energiewende zu schaffen, Erzeugungsanlagen in die Breite zu bringen und Ownership zu erzeugen. Den passiven Kunden zu einem aktiven Stakeholder zu machen“, fasst Ennser zusammen. Wenn eine Gemeinde hier einsteige, sei das natürlich ein gutes Signal. Dann hieße es: „OK, das ist glaubwürdig.“

Das merke man auch im Ministerium: „Mehr und mehr Gemeinden melden sich - auch bei verwandten Stellen, der E-Control oder der neuen Koordinierungsstelle, die frisch etabliert wurde. Da gibt es reges Interesse“, erzählt Ennser und empfiehlt den Gemeinden im Bezug auf das EAG: „Nutzen Sie die sich bietenden Möglichkeiten im neuen Fördersystem und in den sonstigen Innovationen, namentlich und ganz besonders in den Energiegemeinschaften. Es ist ein neues Angebot, eine neue Marktrolle, die es bisher nicht gab. Eine Möglichkeit, die Erneuerbaren näher an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen.“ Diesen Wunsch äußerte Ennser auch als Key-Note-Speaker einer Onlineveranstaltung, in der er am 20. Mai 2021 über die Auswirkungen des EAG auf Gemeinden sprach. 

Überblick über den Energie- und CO2-Verbrauch schaffen

„Energie und Klimadaten für die Gemeinde der Zukunft“ lautete der Titel dieser Veranstaltung, die sich mit dem Erstellen von Energiebilanzen und Emissionsinventaren auf Gemeindeebene befasste. Im Hinblick auf das EAG und die neuen Möglichkeiten, die sich Gemeinden damit bieten, ist es für eine Kommune sinnvoll, sich vorab einen fundierten Überblick über den Energie- und CO2-Verbrauch auf dem eigenen Gemeindegebiet zu verschaffen. Allerdings sei das eine „ganz schön aufwendige Geschichte“, gibt Gregor Thenius, der Leiter der Programms der e5-Gemeinden, zu bedenken.

Eine Energiebilanz erstellt man in Österreich jährlich auf Bundesebene und auch Bundesländerenergiebilanzen gibt es, in denen sehr genau aufgeschlüsselt ist, was das Bundesland oder der Bund als Gesamtheit verbraucht hat.

Gregor Thenius
Gregor Thenius, Leiter „e5 Österreich Programm für energieeffiziente Gemeinden“: „Auf Gemeindeebene wird standardmäßig keine Energiebilanz erstellt. Darum muss sich jede Gemeinde selbst kümmern.“

„Auf Gemeindeebene wird das standardmäßig nicht gemacht. Es muss sich jede Gemeinde selbst darum kümmern, wenn sie das genauer wissen will“, bedauert Thenius. Für viele vor allem kleinere Gemeinden sei das Erstellen einer Energiebilanz oder eines Emissionsinventars leider kaum bewerkstelligbar. Beispielsweise sei der Personalaufwand dafür extrem hoch. Eine große Herausforderung stellen die Verfügbarkeiten einer geeigneten Datenbasis zur Beurteilung des Status quo sowie von Tools zum Monitoring des Fortschritts von umgesetzten Maßnahmen dar. Um den Gemeinden zu helfen, stellte die Energieagentur bei dieser Online-Veranstaltung verschiedene Tools zur Unterstützung von Gemeinden bei der Erstellung von Energiebilanzen und bei der Planung von Klimaschutzmaßnahmen vor. 

CO2-Bilanzen aller österreichischen Gemeinden

Als Werkzeuge für die Gemeinden wurde unter anderem Energiemosaik.at präsentiert. Ein Team der Boku hat dabei Grob-Energiebilanzen und CO2-Bilanzen für alle österreichischen Gemeinden erstellt und online sehr übersichtlich auf Karten dargestellt. Gemeinden erhalten so eine erste Idee, wo Hebel angesetzt werden können und mit welchen Bereichen sie sich stärker beschäftigen sollten.

CoME EASY ist ein EU-Projekt, einfach gesagt ein Open-Source-Excel-Tool ausgefüllt mit allgemeinen Daten, die die Gemeinde dort, wo sie eigene, bessere und genauere Daten hat, ersetzen kann und so nach und nach ein immer genaueres Bild erhält. Dieses Excel-Tool soll Thenius zufolge für alle Gemeinden öffentlich zugänglich werden.