Mikroplastik in einem Netz
Studien zeigen, dass durch die Mikroplastik-Kontamination ein generelles Risiko weder für Meeresgewässer noch für Oberflächengewässer darstellbar ist und dass das Mikroplastik-Problem in Ozeanen hauptsächlich auf Emissions-„hot spots“ (Flüsse, Ballungsräume an der Küste) beschränkt zu sein scheint.
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Umwelt

Die Gefahr von Mikroplastik im Wasser

Das Auftreten von Mikroplastik und dessen potenzielle Auswirkungen auf Mensch und Umwelt rücken zusehends in den Fokus öffentlicher Diskussionen mit erheblicher Relevanz auch für die Bereiche Trinkwasser, Abwasser und die aquatische Umwelt.

Aus aktuellem Anlass hat sich der zuständige Arbeitsausschuss „Spurenstoffe“ des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands (ÖWAV) unter Beteiligung mehrerer Expertinnen und Experten dem Thema angenommen und in einem eigens erstellten ÖWAV-Expertenpapier „Mikroplastik im Wasser“ Fakten und Zahlen im Zusammenhang mit der Thematik Mikroplastik im anthropogenen Wasserkreislauf zusammengestellt.

Was ist Mikroplastik?

Eine international einheitliche Definition von Mikroplastik existiert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Mikroplastik umfasst Partikel unterschiedlichster Form mit 5 mm und geringerer Abmessung, allerdings wurde die untere Grenze für die Partikelgrößen nicht explizit definiert, weshalb auch Studienergebnisse sehr schwer zuordenbar, kaum vergleichbar und somit für die Beurteilung einer Auswirkung schlecht geeignet sind.

Für eine Risikoabschätzung sind Informationen über die Umweltkonzentrationen der verschiedenen relevanten Partikelgrößen und deren auf die Partikelgrößen bezogenen schädigenden Wirkungen notwendig.

Es wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden. Primäres Mikroplastik bezeichnet direkt hergestelltes (Typ A) oder in der Nutzungsphase entstandenes Mikroplastik (Typ B), wogegen sekundäres Mikroplastik durch Zerkleinerung oder Zerfall von größeren Plastikteilen entsteht.

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Mikroplastik in sämtlichen Umweltmedien wie Luft, Oberflächen- und Grundwasser, in Böden, Sedimenten, Korallenriffen, in der Tiefsee, Biota und sogar in einigen Lebensmitteln nachweisbar ist. Dieses Vorhandensein von Mikroplastik in Lebensmitteln und der Umwelt führt zur Besorgnis über eine direkte oder indirekte Wirkung auf Organismen in der Umwelt sowie den Menschen selbst.

In Hann et al. (2018) werden die europaweiten Mikroplastikfreisetzungen aus verschiedenen Quellen abgeschätzt und deren Verbleib in der Umwelt dargestellt.

Mikroplastik Freisetzungen
Europaweite Mikroplastik-Freisetzungen (in kt/a) aus verschiedenen Quellen und deren Verbleib (Umweltbundesamt verändert nach: Hann et al., 2018)

Von ca. einer Millionen Tonnen Mikroplastik-Anfall pro Jahr werden europaweit demnach rund 200.000 Tonnen in die Gewässer verfrachtet, davon gelangen etwa zwei Drittel direkt in die Oberflächengewässer und ein Drittel über Regen- und Mischwasserentlastungen bzw. Kläranlage.

Gefahr hängt von der Partikelgröße ab

In der aquatischen Umwelt sind Organismen durch die Nahrungsaufnahme und über die Kiemen Mikroplastik ausgesetzt. Aufnahme, Anreicherung und Exkretion sowie Wirkung von Mikroplastik hängen dabei wesentlich von der Partikelgröße ab.

Zusätzliche relevante Faktoren sind die Anzahl der Partikel, die Art der Teilchen, die Expositionsdauer, die Konzentrationen und Art der mit dem Kunststoff verbundenen Verunreinigungen bzw. bei der Herstellung eingesetzte Formulierungsmittel und die Physiologie und Lebensgeschichte des Organismus.

Erst nach der Abschätzung eines potenziellen Risikos kann an eine eventuell notwendige Festlegung von Grenzwerten herangegangen werden, um negative physikalische, chemische und ökologische Auswirkungen in verschiedenen Lebensräumen kausal zu verhindern.

Verschiedene Studien zur Risikoabschätzung (mit modellierten bzw. gemessenen Daten) zeigten, dass durch die Mikroplastik-Kontamination kein generelles Risiko darstellbar ist, weder für Meeresgewässer noch für Oberflächengewässer und dass das Mikroplastik-Problem in Ozeanen hauptsächlich auf Emissions-„hot spots“ (Flüsse, Ballungsräume an der Küste) beschränkt zu sein scheint.

Schritte zur Verringerung der Mikroplastik-Kontamination

Mit der EU Kunststoffstrategie (EU, 2018a) wurden bereits erste Schritte unternommen, um die aquatische Mikroplastik-Kontamination zu verringern. Darüber hinausgehend wird derzeit unter Federführung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ein Aktionsplan gegen Mikroplastik erstellt (siehe auch Regierungsprogramm 2020-2024).

Die Reduzierung von Mikroplastik in der Umwelt erfordert aufgrund der vielfältigen Quellen (primäre und sekundäre Quellen) einen sektorenübergreifenden Ansatz und einen Mix aus verschiedenen Maßnahmen.

Häufige Fragen zum Thema Mikroplastik im Wasser/Abwasser 

Im ÖWAV-Expertenpapier werden in einem FAQ die häufigsten Fragen zum Thema Mikroplastik im Wasser/Abwasser beantwortet.

Wurde Mikroplastik bereits in unseren Gewässern nachgewiesen?

2018 wurde im Rahmen der alle sechs Jahre stattfindenden Donau-Untersuchung (Joint Danube Survey 4) das Vorkommen von Mikroplastik in Wasser und in Muscheln untersucht (ICPDR, 2021).

Die Erfassung von Mikroplastik in Wasser erfolgte über Sedimentationskästen mit einer anschließenden thermoanalytischen Aufarbeitung. Bei den Muscheln wurden natürlich vorhandene Muscheln untersucht.

Hierbei wurden Mikroplastikpartikel entlang der gesamten Donau (einschließlich der zwei Stellen in Österreich) zwar in geringer Konzentration, jedoch überall gefunden. Bei den Wasserproben wurde Polyethylen als häufigste Komponente von Mikroplastik in fast allen Wasserproben nachgewiesen.

Das Screening von Muscheln zeigte das Vorhandensein von Mikroplastik in Individuen an allen Standorten mit Polyethylenterephthalat (PET) als dem dominierenden Kunststoff.

Woher stammt das Mikroplastik in der Umwelt?

In einer 2018 vom Fraunhofer-Institut veröffentlichten Studie wurden insgesamt 51 Quellen für Mikroplastikemissionen ermittelt und die damit einhergehenden Emissionen errechnet. Besonders hoch sind hier Reifenabrieb, Freisetzung bei der Abfallentsorgung, Abrieb von Bitumen in Asphalt, Pelletverluste aus der Produktion sowie Verwehungen aus Sport- und Spielplätzen. Emissionen durch Faserabrieb bei der Textilwäsche etwa liegen bei diesem Ranking auf Platz 10, Emissionen durch Mikroplastikbeimengungen in Kosmetika auf Platz 17.

Nur ein Teil des freigesetzten Mikroplastiks gelangt auch tatsächlich in die Gewässer, da ein signifikanter Teil über die Infrastruktur der Siedlungswasserwirtschaft von den Gewässern ferngehalten wird. Schätzungen der EurEau (EurEau, 2019) bzw. vom Fraunhofer-Institut (2018a) gehen von einer massenbezogenen Entfernung von nahezu 100 Prozent bei Makroplastik und bis über 95 Prozent bei Mikroplastik aus, sofern nicht Klärschlamm direkt auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wird. 

In welchem Ausmaß kann Mikroplastik in kommunalen Kläranlagen zurückgehalten werden? Welche Menge Mikroplastik ist im Abwasser enthalten und gelangt in unsere Gewässer? Tragen KA selbst Mikroplastik ein (organische Flockungshilfsmittel)?

In einer 2019 publizierten Überblicksstudie (Sun et al., 2019) zu Auftreten und Entfernung von Mikroplastik wird gezeigt, dass Mikroplastik sowohl im Zulauf als auch im Ablauf von Kläranlagen nachgewiesen werden kann. Dabei variieren die Konzentrationen zwischen einzelnen und 10.044 Partikel/L im Zulauf bzw. 0 - 447 Partikel/L im Ablauf, was einem Rückhalt von über 95 Prozent entspricht.

Müssen Kläranlagen nachgerüstet werden, um Mikroplastik zu entfernen?

Kläranlagen entfernen mit den bisherigen Reinigungsmethoden (3. Reinigungsstufe) bis über 95 Prozent des im Zulauf zur Kläranlage enthaltenen Mikroplastiks. Eine Nachrüstung zu einer noch weitergehenden Entfernung wird in Zusammenschau mit anderen Herausforderungen (z. B. Arzneimittel) der Siedlungswasserwirtschaft zu diskutieren sein. Eine entsprechende Diskussion unter Berücksichtigung von Kosten und Wirksamkeit findet im Rahmen der Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie auf EU-Ebene derzeit statt.

Gibt es Grenzwerte für Mikroplastik, das über Abwasser in Gewässer gelangt?

In den Abwasseremissionsverordnungen wird der Stand der Technik u.a. durch Emissionsbegrenzungen für Abwasserparameter und Abwasserinhaltsstoffe festgelegt. Ungelöste Stoffe werden über den Abwasserparameter abfiltrierbarer Stoffe erfasst und überwacht, womit zumindest größere Mikroplastik-Partikel berücksichtigt werden.

Ein etablierter Abwasserparameter, der es gezielt erlauben würde, eine Emissionsbegrenzung von Mikroplastik zu überwachen, ist derzeit nicht verfügbar.

Voraussetzung für die Einführung einer Emissionsbegrenzung sind unter anderem standardisierte Methoden, die vom Aufwand her einen Einsatz in Bezug auf Abwassereinleitungen rechtfertigen. An der Entwicklung solcher Methoden wird derzeit weltweit gearbeitet.

Wieviel Mikroplastik befindet sich im Klärschlamm? Was passiert mit dem mit Mikroplastik belasteten Klärschlamm?

Die hohe Rückhaltefähigkeit in Kläranlagen bedingt, dass sich ein Großteil des eingetragenen Mikroplastiks im Klärschlamm wiederfindet. Verfügbare Studien zum Vorkommen von Mikroplastik im Klärschlamm zeigen sehr unterschiedliche Werte.

Die Konzentrationen reichen dabei von einigen Tausend bis mehreren Hunderttausend Partikeln pro Kilogramm Klärschlamm (TS) (Sun et al. 2019, Liu et al. 2021, Rolsky et al. 2020). Die Schwankungen sind auf die derzeit noch sehr unterschiedlichen Analysemethoden sowie unterschiedliche Abwasserquellen, Einzugsgebiete, Klärschlammbehandlung etc. der untersuchten Kläranlagen zurückzuführen.

Eine erste Studie zur Mikroplastikbelastung von Klärschlämmen aus 35 österreichischen Kläranlagen zeigte eine durchschnittliche Belastung von 85,221 ± 103,175 Mikroplastikpartikeln pro kg Klärschlamm (TS). Die Bandbreite der Werte schwankte dabei von 2.339 bis 633.414 Partikeln pro kg Klärschlamm.

In Österreich wird derzeit etwa die Hälfte des anfallenden Klärschlamms thermisch behandelt, ca. 19 Prozent werden auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht und rund 29 Prozent werden einer sonstigen Behandlung unterzogen (z. B. mechanisch-biologische Behandlung, Kompostierung, Vererdung) (Bundesabfallwirtschaftsplan 2017).

Gibt es Grenzwerte für Mikroplastik in Klärschlamm für eine zulässige Kompostierung oder landwirtschaftliche Verwertung?

Die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm steht derzeit aufgrund von mehreren problematischen Inhaltsstoffen in der Kritik. Mikroplastik stellt einen Aspekt dar. Das Regierungsprogramm 2020-2024 sieht vor, die Ausbringung von Klärschlamm bei Belastung durch Mikroplastik und anderen Schadstoffen gänzlich zu unterbinden.

Stellt das Thema „Mikroplastik“ ein Problem in unseren Gewässern dar?

Verschiedene Studien zur Risikoabschätzung (mit modellierten bzw. gemessenen Daten) zeigten, dass durch die Mikroplastik-Kontamination ein generelles Risiko weder für Meeresgewässer noch für Oberflächengewässer darstellbar ist und dass das Mikroplastik-Problem in Ozeanen hauptsächlich auf Emissions-„hot spots“ (Flüsse, Ballungsräume an der Küste) beschränkt zu sein scheint.

Auch wenn diese Risikoabschätzungen zumindest für Mikroplastik kein besorgniserregendes Bild zeichnen, ist es doch wichtig, an strategischen Konzepten zu arbeiten, um den Eintrag von Plastik insgesamt und von Mikroplastik im Besonderen zu minimieren.

Was kann jede/r einzelne dazu beitragen, um Mikroplastik im Abwasser zu vermeiden?

Wichtig ist es, auf eine sachgerechte Müllentsorgung zu achten und beim Einkauf Produkte, die Mikroplastik enthalten, zu vermeiden.

Folder Mikroplastik
ÖWAV-ExpertInnenpapier „Mikroplastik im Wasser“

Das ÖWAV-ExpertInnenpapier „Mikroplastik im Wasser“ steht für Interessierte auf der ÖWAV-Homepage zum Gratisdownload zur Verfügung. In einem Video wird das Papier erläutert.

Am 22. Juni 2022 findet zudem das Seminar „Spurenstoffe in der aquatischen Umwelt: Mikroplastik – Resistenzen – Strategien“ in Wien statt.