„ Die Gemeindevertreter sind für diese transparente Vorgehensweise, die Ländervertreter aber wollen, dass weiterhin alles über die Länder fließen soll.“ Minister Schelling kommentiert Reaktionen auf seinen Vorschlag, dass bei klarer Aufgabenzuordnung auch der Finanzstrom dorthin fließen soll.

„Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gehören in eine Hand“

Finanzminister Hans Jörg Schelling ist derzeit wohl einer der begehrtesten Gesprächspartner Österreichs. Für die Gemeinden ist er als einer der Proponenten des Finanzausgleichs gleich doppelt wichtig. Für KOMMUNAL hat sich Österreichs Finanzminister Zeit für ein ausführliches Interview genommen. Hier der erste Teil.

Die General Theory von Keynes besagt, dass wenn die private Nachfrage nachlässt, der Staat durch Investitionen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimulieren soll. Kommunen investieren flächendeckend, branchenübergreifend und unmittelbar beim Bürger. Juncker und Schäuble haben das erkannt und haben Investitionspakete in Höhe von 315 bzw. 10 Milliarden Euro, die über die Regionen und Kommunen verteilt werden sollen, ins Leben gerufen. Nur in Österreich hat man das Gefühl, dass man versucht wo es geht an das Geld der Kommunen zu kommen und sie damit von diesem investieren abzuhalten. Täuscht dieses Gefühl, oder liegen Juncker und Schäuble falsch?



Es gibt einen gültigen Finanzausgleich. Die Geldflüsse sind davon abhängig, wie sich das Wirtschaftswachstum entwickelt. Wenn die Konjunktur schwächer ist, dann gibt es auch weniger zu verteilen.

Wir haben in Österreich eine Menge von Doppelstrukturen. Vielfach sind es sogar Dreifach- oder Fünffachstukturen. Hier gibt es eine Menge Effizienzpotenzial, das man noch heben kann.

Wenn man die europäische Ebene betrachtet, dann muss man auch die spezifische Situation der einzelnen Staaten beachten. Deutschland macht im Budget einen Gesamtüberschuss. Wir machen trotz aller Anstrengungen noch immer gerade noch strukturelle Nulldefizite, aber keine Überschüsse. Unser Schuldenstand geht also weiter nach oben, weil Österreich ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem hat. Daran müssen wir arbeiten. Das wird auch ein Thema bei den Finanzausgleichsverhandlungen sein. Dazu gehören Fragen wie: Wie ordnet man die Aufgaben zu? Wie bringt man die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in eine Hand? Es gibt ja auch genug Dinge, für die andere zuständig sind und für die der Bund zahlen muss.



Sie haben die Frage der Aufgaben- und Kompetenzreform erwähnt …



Ich habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Aufgabenkritik auf allen Ebenen durchführen soll. Ziel ist es herauszufinden, ob die Aufgaben auf der richtigen Ebene effizient und bürgernah gelöst werden.

Eine zweite Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Aufgabenorientierung. Dabei geht es darum, klar zu definieren, welche Aufgabe auf welcher Ebene erbracht werden soll.

Eine dritte Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Fragen der Transfers und der Transparenz. Im Gegensatz zu vielen anderen vertrete ich die Auffassung, dass man, wenn man den Gemeinden eine Aufgabe überträgt, keine zwischengeschaltete Ebene braucht, sondern dass man das Geld gleich direkt den Kommunen überweisen kann. Das muss nicht via Bedarfszuweisung über die Länder gemacht werden.

Und dann gibt es noch eine Arbeitsgruppe, die sich mit autonomen Steuern beschäftigt. Hier habe ich erstens klargestellt: Wenn es Steuerautonomie gibt, dann nur im großen Stil und nicht als „Schotterabgabe“. Und zweitens: Dort wo die Kompetenzen dann sind, dort sollen sie auch genutzt werden. Es sollte dann nicht mehr möglich sein, dass eine Kommune dann beispielsweise freiwillig auf die Grundsteuer verzichtet, aber im Finanzausgleich dafür Geld verlangt. Wenn es eine Steuerhoheit gibt, dann muss sie auch genützt werden.

Nachdem man 20 Jahre in der Frage der Kompetenzen nicht weitergekommen ist – Stichwort Verfassungskonvent –, habe ich gesagt, dass man das wohl über die Finanzen steuern muss. Wenn man die Geldmittel neu steuert, dann wird auch die Kompetenzverteilung neu zu verteilen sein. Das wird noch zu viel Aufregung führen, weil es sehr unterschiedliche Ansätze gibt.

Da gibt es z. B. jene, die sagen: „Jeder Bürger muss gleich viel wert sein.“ Das kann man diskutieren. Andere wiederum sagen, dass man, wenn man die Aufgaben neu ordnet, die Zuständigkeit in eine Hand geben soll. Das, was in Österreich üblich ist – der eine bestellt, der andere zahlt –, wird auf Dauer nicht möglich sein. Alleine, dass man die Zuständigkeit und die Verantwortlichkeit in eine Hand bringt, bedeutet eine deutliche Kompetenzverschiebung. Daran arbeiten wir intensiv.

Vielen wäre es am liebsten, wenn man es weiterhin so macht wie bisher: Das Geld wird verteilt und jeder kann es so ausgeben wie er möchte.

Ich war kürzlich im Bundesrat, und da hat ein Abgeordneter zitiert, wofür Fördergelder ausgegeben werden. Ob etwa eine „Nacht der schlechten Texte“ gefördert werden muss, kann man bezweifeln. Man kann auch darüber diskutieren, ob eine Gemeinde und ein Land gleichzeitig E-Bikes fördern müssen.

Ich weiß schon jetzt, dass jeder – Länder, Gemeinden etc. – für alle Einsparungsvorschläge zu haben ist – aber nur, wenn sie einen anderen treffen. Es gibt ja jetzt schon Spannungen zwischen den Gemeindevertretern und den Ländern über meine Ankündigung, dass bei klarer Aufgabenzuordnung auch der Finanzstrom dorthin fließen soll. Die Gemeindevertreter sind für diese transparente Vorgehensweise, die Ländervertreter aber wollen, dass weiterhin alles über die Länder fließen soll.

Im Fachhochschulbereich funktioniert es beispielsweise sehr gut, dass die Gelder direkt verteilt werden. Das könnte im Kindergartenbereich genauso laufen.



Abgabenautonomie wäre für sie eine ideale Lösung?



Man muss mehrere Dinge beachten. Wenn man die Steuerautonomie verlagert, dann muss es um einen größeren Betrag gehen. Wegen Kleinigkeiten zahlt sich der Aufwand nicht aus.

Das Zweite ist, dass man überlegen muss, auf welcher Ebene die Steuerautonomie funktioniert. Derzeit haben die Kommunen drei Steuerebenen: die Kommunalsteuer, die Grundsteuer und die Grunderwerbssteuer. Es wird darüber diskutiert werden, ob man das anders gestalten kann. Die Länder haben derzeit ja nur Abgabenautonomie, aber keine Steuerautonomie.

Wir denken auch darüber nach, wie man die kalte Progression beseitigen kann. Dazu brauchen wir eine Gebührenbremse, denn sonst passiert es, dass das, was die Bürgerinnen und Bürger an Gehaltserhöhungen bekommen haben, durch Steuern- und Abgabenerhöhungen zu einem guten Teil wieder verloren geht.

Im Zuge der Steuerreform hat man sich auf die sogenannte Verwaltungskostenbremse für alle Gebietskörperschaften geeinigt. Das bedeutet, dass die Kostensteigerung, die mit 2,7 Prozent prognostiziert ist, nur 1,7 Prozent betragen darf. Im Gesundheitsbereich wurde das bereits erfolgreich gemacht.



Gemeindekooperationen werden derzeit durch die Tatsache behindert, dass Gemeinden, die füreinander Dienstleistungen verrichten, Mehrwertsteuer zahlen müssen.



Derzeit werden interkommunale Kooperationen noch durch die europäische Rechtslage behindert, weil Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Ich habe die Europäische Kommission bereits darauf aufmerksam gemacht, dass das enorm hinderlich ist.



Wie machen das andere Länder?



Manche Staaten halten sich einfach nicht daran und riskieren ein Verfahren. Das ist vielleicht gar nicht schlecht, weil dann Bewegung in die Sache kommt. Ich bin überzeugt, dass die Gemeinden bereit sind, zusammen zu arbeiten. In vielen Bereichen funktioniert das ja auch schon sehr gut.

Es geht ja nicht nur um die Zusammenarbeit kleiner Gemeinden, sondern auch die Kooperation einer kleinen Gemeinde mit einer großen Stadt. Aus meiner früheren Tätigkeit kenne ich ein Beispiel, wo in einer Vorarlberger Stadt ein Möbelhaus gebaut wurde und sich die umliegenden Gemeinden beschwert haben, dass die Stadt die Einnahmen aus der Kommunalsteuer erhält, während sie mit den Nachteilen – etwa im Verkehrsbereich – zu leben haben. In Vorarlberg erhält eine Kommune eine Genehmigung erst dann, wenn man sich mit den umliegenden Gemeinden auf die Verteilung der Kommunalsteuer geeinigt hat. Das halte ich für eine gute Lösung.

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