Matthias Strolz von den NEOs

Matthias Strolz zu kommunalpolitischen Fragen

28. September 2017
„Es wäre wichtig, dass gerade auf Gemeindeebene ein Mehr an Bürger_innenbeteiligung stattfindet, das dafür sorgt, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einen direkten Weg in die politische Debatte finden.“

Kürzlich wurde der Masterplan Ländlicher Raum präsentiert. Kann dieser Plan den ländlichen Raum retten oder zumindest Verbesserungen auf den Weg bringen?



Im Masterplan Ländlicher Raum steht unserer Meinung nach nichts Neues. Minister Rupprechter hat im Vorfeld des Wahlkampfs lediglich versucht, sich medial zu inszenieren, anstatt das Regierungsprogramm umzusetzen, wozu er sich eigentlich mit seiner Unterschrift verpflichtet hat.



Die Gestaltung des ländlichen Raumes ist eine riesige Querschnittsmaterie, die das komplexe Zusammenspiel von Landwirtschaft, Tourismus, Wirtschaft allgemein, Umwelt, Verkehr etc. betrifft. Diesen kann man nicht allein mit einem Marketingkonzept begegnen. Wäre der Einsatz des Ministers ernstgemeint, würde er umsetzen, was im Regierungsprogramm vom vergangenen Frühling steht.



In vielen Gemeinden wird es immer schwieriger, geeignete Menschen zur Kandidatur für das Bürgermeisteramt zu gewinnen. Welche Ansätze haben Sie, um dieser Entwicklung entgegen zu wirken?



Politik in den Gemeinden findet größtenteils hinter verschlossenen Türen statt. Deshalb fordern NEOS einen Transparenzschub. Das bedeutet umfassende Informationsleistungen der Gemeinden für die Bürger_innen vor, während und nach Entscheidungsprozessen. Zusätzlich soll das Amtsgeheimnis zugunsten eines Informationsfreiheitsgesetzes abgeschafft werden. In diese Entscheidungsprozesse müssen die Bürger_innen umfassend eingebunden werden, beispielsweise über verpflichtende Bürgerbeteiligungsverfahren bei wichtigen Vorhaben, oder über die Einsetzung eines Bürger_innenrates in Gemeinden ab 5000 Einwohnern. Dem Wunsch nach mehr direkter Mitbestimmung soll auch über eine Direktwahl des Bürgermeisters Rechnung getragen werden. Ist Partizipation einfach und transparent möglich und fühlen sich Interessierte dort erwünscht, finden Bürgerinnen und Bürger auch leichter den Weg in die Politik.



Zuletzt haben die Gemeinden sehr vehement eine Staatsreform gefordert, um den Kompetenz-Wirrwarr zu beenden. Wie könnte oder sollte aus Ihrer Sicht eine solche Reform aussehen?



Die Effizienz des Föderalismus muss gesteigert werden. Das bedeutet konkret, dass Gesetzgebung, Finanzierung (Steuerhoheit) und Verwaltung immer auf derselben Ebene anzusiedeln sind. Es gibt also zwei Möglichkeiten: entweder wird für die Länder Steuerhoheit eingeführt (unter Entfall des vertikalen Finanzausgleichs), oder die Landesgesetzgebung und -vollziehung wird abgeschafft. Solange die Länder über den Finanzausgleich Geld bekommen, das sie selbst nicht einheben müssen, wird einem verantwortungslosen Umgang mit Steuergeld Vorschub geleistet. Österreich kann sich diesen Spendierföderalismus nicht leisten.



NEOS stehen für einen effizienten Umgang mit Steuergeld, insbesondere wenn es um Verwaltungskosten geht. Grundsätzlich soll die Selbstverwaltung der Gemeinden beibehalten werden, zugleich aber Mindestgrößen im Hinblick auf die Effizienz festgelegt werden. Eine Zusammenlegung wäre also von einer Einzelfallprüfung abhängig. In Dänemark gab es bei der Zusammenlegung eine Untergrenze von 20.000 Einwohnern, darunter wurde zusammengelegt, wir wären auch mit weniger zufrieden – auf geografische Begebenheiten kann zusätzlich Rücksicht genommen werden.



Warum ist Europa für Österreichs Gemeinden wichtig? Oder auch nicht?



Europa ist für jede Ebene der Verwaltung wichtig. Gerade die Gemeinden, die nah bei Bürgerinnen und Bürgern sind, haben eine Schlüsselrolle bei der Kommunikation mit höheren Verwaltungsebenen. Eine wichtige Rolle der Gemeinden besteht auch im Sichtbarmachen von EU-Leistungen im täglichen Leben. Eine weitere Dimension liegt im Bereich der gezielten Regionalförderungen durch die Europäische Union.



Was bedeutet für Sie „Gemeinde“ ganz persönlich?



Die Gemeinde ist die kleinste politische Einheit und damit tendenziell die politische Ebene, die am nächsten an den Menschen ist. Sie beschäftigt sich mit Dingen des Alltags, und das oft auf eine Weise, die frei von Ideologie-Wettkämpfen ist. Es wäre wichtig, dass gerade auf Gemeindeebene ein Mehr an Bürger_innenbeteiligung stattfindet, das dafür sorgt, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einen direkten Weg in die politische Debatte finden.